Siemens Dialog
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23.04.2024, 12:04 Uhr

Achtung, tieffliegender Schlamm

  • 09.03.2010
  • Allgemein

Augen zu und durch, so lautete bislang das Motto mancher Ex- oder Noch-Funktionäre der AUB, die angesichts der Erkenntnisse der AUB-Affäre einfach den Kopf noch etwas tiefer in den Sand steckten. Mit den ersten Ergebnissen der Betriebsratswahlen insbesondere bei SIS kommt jetzt allerdings unverkennbar Nervosität - um nicht zu sagen Panik - auf. Also beginnt man, blindlings um sich zu schlagen.

Nun könnte man die daraus resultie-renden Last Minute-Kampagnen einfach ignorieren, zumal die Beschäftigten in den betroffenen Betrieben offenbar überwiegend sehr wohl zwischen Fakten und Propaganda unterscheiden können - die Wahlergebnisse beispielsweise in Fürth oder Köln zeigen dies deutlich.

Von unsachlicher Argumentation zu gezielter Irreführung

Wohl oder übel muss man allerdings reagieren, wenn vor diesem Hintergrund die aus der Vergangenheit hinlänglich gewohnte, unsachliche Argumentation zu gezielter Irreführung mutiert. In München Perlach, früher so etwas wie eine 'Hochburg' der AUB, dämmerte es der mittlerweile unter "die Alternative" fungierenden ehemaligen AUB-Liste kurz vor den am Dienstag begonnenen Wahlen wohl, dass viele Beschäftigte mittlerweile erhebliche Zweifel an den altbekannten Klischees der angeblichen Fremdsteuerung und dergleichen anderem Unfug hegen.

Ungenauigkeiten und Halbwahrheiten ...

Also beschloss man offenbar gewissermaßen kurz vor Zwölf noch einmal eine Pseudo-Information zu verbreiten, die vor Ungenauigkeiten und Halbwahrheiten nur so strotzt. Im einzelnen verdienen die unübersehbar mit heißer Nadel gestrickten Verschwörungstheorien keine detaillierte Auseinandersetzung - wohl aber eine kurze Beleuchtung.

... zu Ergänzungstarifvertrag ...

Da wäre zum einen die Behauptung, die IG Metall habe im Jahr 2007 den "Debakel-Ergänzungstarifvertrag" quasi im Alleingang "erfunden" und so womöglich den Boden für einen CarveOut 2010 bereitet. Von dieser Idee ausgehend folgt zum anderen die These, die IG Metall unterstütze mit der rechten Hand eben diesen CarveOut, während sie mit der linken Hand zum Widerstand dagegen aufrufe.

Das klingt nicht nur wirr, sondern ist wenig mehr als ein bunter Mix aus Weglassen und Verdrehen. Tatsächlich entstammt der Ergänzungstarifvertrag keineswegs einem Alleingang der IG Metall; diese wurde auch vom damals AUB-dominierten SBS-Gesamtbetriebsrat und vom damaligen AUB-Betriebsrat in Perlach nachdrücklich gebeten, Verhandlungen über einen Ergänzungstarifvertrag aufzunehmen. Dass in diesen Gremien führende Köpfe der "alten" AUB-Liste saßen, die heute auf der ihr nachfolgenden "Alternativen Liste" kandidieren, wirft ein interessantes Licht auf das Langzeitgedächtnis der Betroffenen. Übrigens: Die SBS-Beschäftigten haben den Ergänzungstarifvertrag damals bundesweit mit überragender Mehrheit legitimiert.

Die in der Umsetzung in der Tat unsäglichen Eingruppierungen und damit verbundene Entgeltdrückerei entstammen ihrerseits ausschließlich der zentralen SIS-Human Ressources-Abteilung. Der Betriebsrat konnte diesen Auswüchsen damals nach Intervention der IG Metall und ihrer Betriebsräte gemeinsam mit dem Siemens-Gesamtbetriebsrat einen Riegel vorschieben und eine klare Regelüberleitung erreichen.

... sowie der Ein- und Ausgliederung

Die Eingliederung der SIS in die Siemens AG bewerteten die Beschäftigten später mit gutem Grund nicht als Täuschung, sondern als klaren Erfolg bei der Sicherung ihrer Arbeitsplätze. Dass dadurch der ergänzungstarifvertraglich vereinbarte besondere SIS-Kündigungsschutz obsolet wurde, wurde für die Vorteile der Eingliederung bewusst hingenommen. Es war allein der
damalige AUB-Betriebsrat in Perlach, der sich offensichtlich aus Sorge um seine bisherige Mehrheit sogar gerichtlich gegen das Zusammenwachsen stemmte - und zwar erfolglos. Wie die Beschäftigten selbst die Eingliederung in die Siemens AG für die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze beurteilen, zeigen unter anderem über 11.500 Protestunterschriften gegen die Ausgliederung.

Getrübtes Erinnerungsvermögen?

Ähnlich haltlos sind die weiteren Anwürfe der "Alternativen Liste" in Perlach. Es ist kaum nötig, auf jeden Punkt einzugehen. Auffällig allerdings scheint, dass bei denen ihrer Kandidaten, die früher auf der AUB-Liste standen, alarmierender Gedächtnisverlust zu diagnostizieren ist. Ein letztes Beispiel: Die Beratungsfirma "Kemper & Schlomski" wurde in den Jahren Jahr 2005 und 2006 auf Beschluss des SBS-Gesamtbetriebsrates hinzugezogen, in dem der damalige Perlacher Betriebsrat das größte Stimmengewicht hatte. Dessen Vorsitzenden, früher zeitweilig auch Gesamtbetriebsratsmitglied, trifft man heute auf Platz 1 der "Alternativen Liste" wieder.

Mehr Meinung als Ahnung

Zu guter Letzt: Die "Alternative Liste" wirft der IG Metall beziehungsweise ihren VerteterInnen im Aufsichtsrat der Siemens AG vor, sie habe die Ausgliederung von SIS bereits "durchgewunken". Auch diese Behauptung wirft ein bezeichnendes Licht darauf, wie genau man es bei den "Alternativen" mit präziser und kompetenter Information nimmt: Tatsächlich wurde dort über die SIS-Ausgliederung nämlich noch gar entschieden.