Siemens Dialog
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19.04.2024, 12:04 Uhr

Ängste schüren mit dem Fachkräftemangel?

  • 14.03.2011
  • Allgemein

Im Kielwasser des Aufschwungs folgt die wieder entfachte Diskussion über den Fachkräftemangel. Was von Unternehmen und Arbeitgeberverbänden lautstark beklagt wird, lässt sich allerdings statistisch noch kaum nachweisen. Allmählich wächst der Verdacht, dass die Unkenrufe andere Ziele verfolgen - Beispiel ITK-Branche.

In der Informations- und Telekommunikationsbranche spürt man den Rückenwind des Aufschwungs, wie soeben die CeBIT zeigte. Die Unternehmen verbuchen Aufträge und Umsätze wie seit lange vor der Krise nicht mehr: 84 Prozent rechnen 2011 mit steigenden Umsätzen, der Branchenverband <link http: www.bitkom.org _blank external-link-new-window bitkom>undefined Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) prognostiziert für 2011 "<link http: www.bitkom.org _blank external-link-new-window>undefinedSolides Wachstum im Hightech-Markt".

Werbung für "aktive Zuwanderungspolitik" ...

Im selben Atemzug beklagt die Bitkom allerdings, jedes dritte IT-Unternehmen fühle seine Geschäftstätigkeit durch den Fachkräftemangel gebremst. Präsident August-Wilhelm Scheer führt dies auf strukturelle Gründe zurück, "die mit mehr Nachdruck angegangen werden müssen"; im Vordergrund stehe dabei unter anderem "eine aktive Zuwanderungspolitik". Der Vorstoß wird in regelmäßigen Abständen wiederholt; Mitte 2010 beispielsweise zog die Bitkom in einem Atemzug eine positive Bilanz der Greencard-Regelung, schlug einen "Drei-Stufen-Plan für erleichterte Zuwanderung" vor und mahnte, Expertenmangel bleibe in der ITK-Industrie ein Problem (<link http: www.bitkom.org de markt_statistik _blank external-link-new-window>undefinedLink).

... mit sinkenden Entgeltgrenzen?

Die IG Metall warnt in diesem Zusammenhang vor Schnellschüssen. Der vielbeschworene Spezialistenmangel ist in den Betrieben noch kaum auszumachen; auch auf die Entgelte, an sich ein zuverlässiges Indiz, sind bislang kaum Auswirkungen erkennbar. Die Bitkom aber lobbyiert konsequent für eine erleichterte und gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften. Dabei sind auch die geforderten Mindesteinkommen für eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis ein wichtiger Faktor- Bitkom und Co wollen sie von 66.000 auf 40.000 Euro senken.

Bildung gegen hausgemachte Probleme

Die IG Metall sieht nicht nur potenzielle Engpässe auf dem IT-Arbeitsmarkt wesentlich weniger dramatisch, sondern rückt bei der Suche nach Lösungsansätzen vor allem die Bildung in den Fokus. Eventuelle Probleme nicht nur in der ITK-Branche nämlich sind oft hausgemacht und ließen sich beheben, indem die Unternehmen mehr Beschäftigte aus- und weiterbildeten, Berufsanfänger besser behandelten die Chancen für ältere Fachkräfte, Frauen sowie erwerbslose Spezialisten verbesserten.

Diese Ansicht deckt sich mit der vieler Arbeitsmarktexperten. Die Bundesagentur für Arbeit etwa konstatiert einen Mangel nur in vereinzelten Berufen, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bezeichnete ihn im November 2010 als "Fata Morgana". Das Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen argumentiert analog zur IG Metall, wirkliche Engpässe müssten sich in steigenden Löhnen und niedriger Arbeitslosigkeit in den betroffenen Bereichen niederschlagen.

IG Metall-Vorstandsmitglied Helga Schwitzer argwöhnt angesichts dieser Aspekte, dass die ITK-Unternehmen mit ihrer Diskussion über einen angeblichen Fachkräftemangel vor allem Angst unter den Beschäftigten schüren wollen. "Billige" Fachkräfte aus dem Ausland würden den Druck auf einheimische Experten erhöhen, massenhaft freiwillig unbezahlte Überstunden zu schieben oder sich in unterbezahlte Zeitarbeitsverhältnisse abdrängen zu lassen.