Siemens Dialog
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19.04.2024, 01:04 Uhr

Debatte um Verantwortung für die Krise

  • 09.04.2010
  • Allgemein

Der erste IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber hat die Einrichtung einer Kommission angeregt, um diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die Schuld an der Finanz- und Wirtschaftskrise haben. Es geht wohl weniger darum, wie es manche Medien sofort beschwören, jemanden "vor ein Tribunal zu zerren", sondern um eine echte Debatte darum, wer und was für die Krise verantwortlich ist.

Berthold Huber.

Mal wieder keine Verantwortlichen?

Im Gespräch mit dem am Donnerstag erschienenen Nachrichtenmagazin "<link http: www.stern.de wirtschaft geld ig-metall-chef-huber-zeit-fuer-die-grosse-abrechnung-1556402.html _blank external-link-new-window>undefinedStern" sagte Huber (Foto): "Eine solche Kommission kann die absolut notwendige Debatte organisieren: Wer ist verantwortlich für diese Katastrophe? Wer hat das angestellt, welches Denken, welche Systeme? Oder soll es, wie in Deutschland üblich, mal wieder keine Verantwortlichen geben?"

Verabsolutierung der Rendite

Huber selbst macht im Kern des Problems "die Verabsolutierung der Rendite" aus, weswegen nach seiner Auffassung unter anderem Banker wie der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Josef Ackermann und Politiker vor einer solchen Kommission erscheinen sollten, welche die Deregulierung der Finanzmärkte vorangetrieben haben. Der IG Metall-Vorsitzende fasst zusammen: "Es sollen die geladen werden, die Verantwortung getragen haben." Der provozierenden Frage, ob nicht auch die Gewerkschaften beziehungsweise ihre Vertreter in den Aufsichtsräten eine Mitschuld trügen, begegnet er gelassen: "Wer hat denn Höchstrenditen gefordert und gefeiert? Das waren nicht wir."

Substanz der Industriegesellschaft auf dem Spiel

Ausdrücklich warnt er davor, angesichts erster Lichtschimmer am Horizont die Dauer und die Folgen der Krise zu unterschätzen. Das aktuelle Wachstum befände sich "auf dem niedrigsten Niveau, das wir je hatten", so dass nach wie vor die "Substanz der Industriegesellschaft" auf dem Spiel stehe. Vor diesem Hintergrund muss, so die Folgerung, die soziale Marktwirtschaft zur "sozialen marktwirtschaftlichen Demokratie" weiterentwickelt werden: "Eine nächste Krise werden das bisherige Modell und diese Regierung nicht überstehen."

Marktwirtschaftliche Demokratie

Auch mögliche Aspekte einer weiterentwickelten marktwirtschaftlichen Demokratie schlägt Huber vor. Ein wesentlicher Faktor wäre die Ausweitung der Mitbestimmung , um Arbeitnehmerinteressen gegenüber der Kapitalseite zu stärken. Dazu findet er klare Worte: "Ich weiß nicht, auf wie vielen Hauptversammlungen ich gewesen bin und mir den größten Schwachsinn angehört habe. Natürlich haben die Aktionäre Rechte, aber die Belegschaft und die Gesellschaft haben auch Rechte."

Gegensteuern würde unter anderem eine Verpflichtung der Unternehmensvorstände auf das Allgemeinwohl per Aktiengesetz, wie sie bereits seit einiger Zeit ansatzweise diskutiert wird. Die existierende paritätische Mitbestimmung in Aufsichtsräten könnte man auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten ausdehnen, für Entscheidungen über Betriebsschließungen oder Werksverlagerungen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Aufsichtsrat vorschreiben.


Eine kurze Zusammenfassung des Interviews findet man auf den "<link http: www.stern.de wirtschaft geld ig-metall-chef-huber-zeit-fuer-die-grosse-abrechnung-1556402.html _blank external-link-new-window>undefinedStern"-Internetseiten. Die vollständige Fassung gibt es nur in der aktuellen Printausgabe des Magazins.