Siemens Dialog
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19.03.2024, 03:03 Uhr

Logistics und LDA

Portfolio-"Bereinigung" ohne Ende?

  • 11.11.2021
  • Operativ

Für die betroffenen Belegschaften, die Betriebsräte und die IG Metall ist es ein Wermuthstropfen in der allgemeinen Begeisterung über Siemens' Jahresbilanz: Siemens Logistics mit rund 1.100 und die Large Drive Applications sollen den Siemens-Konzern verlassen.

LDA-Beschäftigte am 29.10. in Nürnberg ...

... und Berlin: ungewisse Zukunft ohne Siemens?

Beide sind derzeit in den Portfolio Companies (POC) untergebracht. Siemens Logistics sollte in den vergangenen Jahren bereits mehrfach den Weg aus dem Konzern heraus antreten und wurde durch etliche Restrukturierungen auf die heutige Größe "verschlankt". Auch die LDA mit aktuell rund 2.200 Beschäftigten vor allem in Nürnberg, Berlin, Erlangen und Ruhstorf blickt auf eine ganze Reihe von Restrukturierungen zurück - der letzte Interessenausgleich wurde erst im April geschlossen. Nun will ihr der Vorstand, so der CEO bei der Bilanzpressekonferenz, "mehr unternehmerische Freiheit geben", damit sie sich "noch besser entwickeln kann".

Der entsprechende Prozess beginnt erst jetzt, so dass vieles noch ungeklärt ist; der Gesamtbetriebsrat hat in seiner Sitzung Ende Oktober bereits eine Projektgruppe gebildet, die sich mit der komplexen Thematik befasst. Neben rechtlichen Aspekten und technischen Details spielen aktuell vor allem politische Punkte eine entscheidende Rolle. Sie betreffen die grundsätzliche Entscheidung des Vorstands zur Ausgliederung, aber auch die Zukunft des damit entstehenden neuen Unternehmens.

Exemplarisch für letzteres stehen die zentralen Faktoren Tarifbindung und Mitbestimmung: Was im Siemens-Konzern Standard ist, von Tarifverträgen und über paritätisch besetzte Aufsichtsräte bis hin zur Standort- und Beschäftigungssicherung "Radolfzell", ist anderenorts keineswegs eine Selbstverständlichkeit und muss entsprechend abgesichert werden. In diesem Zusammenhang stellt sich zwangsläufig die Frage nach Kandidaten für mögliche Partnerschaften oder Erwerber. Betriebsräte und IG Metall werden hier sehr genau hinsehen und sich mit allen Möglichkeiten zur Einflussnahme einmischen.

Die Fragezeichen zur Entscheidung des Vorstands reichen aber über die konkreten betrieblichen Umstände und die omnipräsente Marge hinaus in den strategischen Bereich. Klimawandel und Energie stehen international ganz oben auf der gesellschaftlichen und politischen Agenda. Eine der großen Herausforderungen in diesem Zusammenhang ist der Umgang mit Ressourcen; ganz aktuell rückt unter anderem die Grundstoffindustrie durch Engpässe in den Lieferketten in den Vordergrund.

Genau in diesem Bereich aber liegt einer der wichtigsten Märkte der LDA. Der Vorstand scheut vor den Herausforderungen einer nachhaltigen Fördergung zurück, nicht zuletzt eingedenk der problematischen Erfahrungen mit Adani. Der angestrebte Verkauf der LDA soll hier eine Distanzierung herbeiführen, obwohl Siemens selbst die damit verbundenen Produkte braucht und weiter brauchen wird.

Der bessere, wenngleich zugegeben deutlich anspruchsvollere, Weg wäre es also, Siemens' Ressourcen und das immense technologische Know How der Beschäftigten einzusetzen, um zum Nutzen aller eine ökologisch vertretbare Förderung der benötigten Grundstoffe zu erreichen. Es würde Siemens gut zu Gesicht stehen, seine Entscheidung im Sinne des "R" in DEGREE (Resource Efficiency) nochmals zu überdenken.