Die IG Metall und die Arbeitnehmervertreter von Siemens Energy sind besorgt über die jüngsten Entwicklungen beim Ausbau der Windenergie und gehen damit nun an die Öffentlichkeit. In einer Pressemitteilung warnen sie vor unfairem Wettbewerb aus China mit potentiell schwerwiegenden Folgen für den Industriestandort Deutschland.
Auf dem Spiel stehen nach der aktuellen Stellungnahme (Download als PDF siehe unten) nicht nur gute Arbeitsplätze in der Windkraftindustrie, sondern auch die Energiewende insgesamt und langfristig eine sichere Energieversorgung: Die Bundesregierung muss jetzt mit zielgenauen industriepolitischen Maßnahmen, die Windparkbetreiber mit verantwortungsvollen Unternehmensstrategien gegensteuern und ihre Einkaufspolitik überdenken. Konkret fordern die Arbeitnehmervertreter die rasche Umsetzung des europäischen Net-Zero-Industrie-Act zum Schutz heimischer Arbeitsplätze und Wertschöpfung.
Anlass für die Warnung ist der Vorvertrag zur Bestellung von 16 Windkraftturbinen für das Offshore Projekt Waterkant mit einer Gesamtleistung von 270 Megawatt in China. Damit sollen nun die ersten chinesischen Anbieter im deutschen Windenergiemarkt aktiv werden. Problematisch ist dies, weil der chinesische Staat seine Windenergieunternehmen massiv unterstützt und damit den Wettbewerb verzerrt. So geraten heimische Hersteller und Arbeitsplätze ausgerechnet in einer der wichtigsten Zukunftsbranchen unter Druck, die wirtschaftliche Abhängigkeit auf dem sensiblen Feld der Energieversorgung steigt.
Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall: „Nach der Solarbranche setzen wir eine weitere Zukunftstechnologie der Gefahr aus, einem unfairen Wettbewerb zum Opfer zu fallen. Das darf nicht passieren. Wenn Deutschland den Anspruch hat, Spitzenreiter in Sachen grüner Technologien zu sein, dann müssen wir dies mit klarem politischem Willen ausgestalten. Wie kritisch Abhängigkeit sein kann, hat die Energiekrise nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine gezeigt. Wir dürfen die Kontrolle über kritische Infrastruktur – und dazu gehören die Energiesysteme – nicht verlieren. Als IG Metall erwarten wir, dass beim Bau die Sicherheit des Systems höher gewichtet ist, als billige Komponenten zu ergattern. Hier stehen die Windparkbetreiber in der Verantwortung wie auch die Politik, Ausschreibungsbedingungen entsprechend anpassen muss.“
Robert Kensbock, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens Energy AG: „Wir können unseren Kolleginnen und Kollegen nicht erklären, wie wir es industriepolitisch zulassen können, dass tausende Arbeitsplätze durch unfaire Praktiken gefährdet werden und warum wir nicht viel stärker politisch aktiv sind für ein echtes level-playing-field, also faire und transparente Wettbewerbsbedingungen. Unsere Kolleginnen und Kollegen erwarten, dass sie vor unfairen Praktiken geschützt werden.“
Horst Hakelberg, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Siemens Gamesa Deutschland: „Die Politik muss sich um den Schutz der Windenergie kümmern, um zehntausende Jobs nicht zu gefährden. Allein bei Siemens Gamesa Renewable Energy, die zu hundert Prozent zu Siemens Energy gehört, arbeiten ca. 27.000 Beschäftigte für die Windenergie weltweit, davon ca. 3.500 in Deutschland. Europaweit sind ca. 300.000 Beschäftigte direkt oder indirekt in der Windindustrie tätig. Vor allem dürfen wir uns nicht der Möglichkeit berauben, die Energiewende selbständig umzusetzen. Neue Abhängigkeiten müssen unbedingt vermieden werden.“
Ähnlich wie bei der Stahlproduktion und bei E-Autos scheint China auch bei Windkraftanlagen die Strategie zu verfolgen, den Markt zu dominieren und Wettbewerber zu verdrängen. Die Konkurrenz aus Fernost baut offenbar staatlich subventioniert massive Überkapazitäten auf, um auf die Märkte außerhalb Chinas zu drängen. Schon heute sind vier von fünf der größten Windturbinenhersteller in China angesiedelt. Noch sind die Herstellungs- und Servicekapazitäten überwiegend in der Hand von deutschen oder europäischen Unternehmen - die subventionierte chinesische Konkurrenz baut aber bereits Kapazitäten in Europa und Deutschland auf.