Siemens Dialog
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24.04.2024, 10:04 Uhr

Betriebsräteversammlung: Smart in die Zukunft

  • 29.11.2010
  • Allgemein

Die diesjährige Betriebsräteversammlung der Siemens AG stand noch einmal im Zeichen der Krise: Zum einen ist Siemens, nicht zuletzt durch das Engagement der Arbeitnehmerseite, gestärkt aus ihr herausgekommen. Zum anderen stellt sich nun die Frage, wie es weitergeht. Die Antwort: "SMART" - aber so, wie es die Interessenvertretung definiert.

Rund 500 Betriebsräte kamen nach Berlin.<br>(Fotos: Siemens; zum Vergrößern anklicken)

Personalvorstand Brigitte Ederer, der 2. IG<br>Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel, Gesamt-<br>betriebsratsvorsitzender Lothar Adler und seine<br>Stellvertreterin Birgit Steinborn.

Zusammenhalten - zusammen handeln

Lothar Adler, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, machte es gleich in seiner Einleitung klar: Das Motto "Zusammenhalten - zusammen handeln" gilt für die Arbeitnehmerseite unverändert weiter: "Gemeinsam - Gesamtbetriebsrat, IG Metall und örtliche Betriebsräte - haben wir uns für die Zukunft der Beschäftigung am Standort Deutschland eingesetzt! Und das wird auch in Zukunft so bleiben!"

Ein wesentlicher Eckpfeiler dafür ist die Verlängerung und Ausweitung der Standort- und Beschäftigungssicherung, die sich als stabilisierender Faktor bewährt hat. Dass Siemens die Leistung der Mitarbeiter mit einer Sonderzahlung und dem Vorziehen der Tariferhöhung honoriert, erklärte Adler an die erstmals für den Vorstand anwesende Arbeitsdirektorin Brigitte Ederer gewandt, betrachtet man daher nicht als Geschenk: "Hier haben wir hart und auf Augenhöhe verhandelt."

Ein ganz normales Unternehmen?

Zu begrüßen ist aus Sicht der Interessenvertretung auch Peter Löschers Botschaft, Siemens sei wieder ein ganz normales Unternehmen: "Es ist gut, dass der Umbau beendet ist, ging er doch in den letzten Jahren immer zu Lasten der deutschen Beschäftigten. Die Beschäftigung bei Siemens in Deutschland hat sich seit 1985 nahezu halbiert, mit diesem Trend muss Schluss sein!"

Was "normal" eigentlich bedeutet, ist offenbar nicht, dass sich nun alles von selbst zum Besten regelt: "Ist es normal, dass nach der Krise die Leiharbeit wieder rasant ansteigt? Ist es normal, dass das private Finanzvermögen wieder Rekordhöhen erreicht, aber die Bundesrepublik ein Sparpaket auflegt?" Die Antwort liegt auf der Hand: "Angesichts der politischen Schönwetterreden können wir uns nicht zurücklehnen, auch bei Siemens nicht!" Auch konkret aufs Unternehmen bezogen wird der Begriff "normal" wohl noch etliche Fragen aufwerfen. Eine davon betrifft ein Thema, das sich im Verlauf der Versammlung als derzeit zentral erwies: "In einem normalen Betrieb sollen die gleichen Beschäftigungsbedingungen für alle Kolleginnen und Kollegen gelten. Die Niederlassungen müssen zurück zu den Bedingungen, die der Rest der AG hat."

"Zurücklehnen können wir uns nicht"

Fest steht für die Betriebsräte so oder so: "Zurücklehnen können wir uns nicht." Aus der Krise haben sie mehrere Lehren gezogen, um die Zukunft konstruktiv mitgestalten zu können, so Adler: "Um auch in Zukunft Fehlentwicklungen zu vermeiden, brauchen wir mehr Mitbestimmung, nicht weniger! [...] Zweitens: Erst kommt der Mensch und dann die Marge. [...] Drittens: Siemens hatte zu Beginn der Krise zirka 12.000 Leiharbeiter. Diese Zahl ist während eines Jahres auf 4.000 abgebaut worden. Heute sind wir schon wieder bei mehr als 6.000. [...] Wir fordern, dass nicht prekäre, sondern reguläre Arbeitsplätze geschaffen werden, so wie es in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgeschrieben ist!"

Intelligenter Kurswechsel

Als Fazit zurückliegender und sich abzeichnender Probleme erklärte Adler: "Wir stimmen mit Berthold Huber überein: Wir brauchen einen Kurswechsel in der Politik, in den Unternehmen, auch bei Siemens! Wir brauchen einen intelligenten Kurswechsel, damit nach der Krise nicht wieder dieselben Fehler gemacht werden wie davor!" Wie ein smarter Kurswechsel aussehen muss, definierte Adler aus Sicht der Arbeitnehmer: Sicherung der Standorte und der Arbeitsplätze; "besser statt billiger" als europäische Antwort auf die Herausforderungen durch die BRIC-Staaten und eindeutige Wachstumsstrategie in Deutschland: das Vorantreiben technischer Innovationen; eine nachhaltige, strategische Personalplanung einschließlich hochwertiger Aus- und Weiterbildung; und schließlich mehr Mitbestimmung als Grundlage des Erfolgs. Die Betriebsräte lösen "SMART" angesichts dieser entscheidenden Aspekte auf ihre eigene Art auf: Standorte und Arbeitsplätze sichern; Mitbestimmung ausweiten; Aus- und Weiterbildung stärken; Richtung mitbestimmen und Technische Innovationen vorantreiben.

Aufgebrachte Stimmung

Brigitte Ederer hatte sich den Auftakt ihrer ersten Betriebsrätekonferenz als Arbeitsdirektorin vermutlich in mancher Hinsicht etwas anders vorgestellt. Nach ihrem Bericht der Firmenleitung sah sie sich gleich zu Beginn der Aussprache aufgebrachten Betriebsräte aus den Niederlassungen gegenüber. Sie drückten den Unmut der Belegschaften darüber aus, dass Siemens die leistungs- und ergebnisbezogene Erfolgsbeteiligung im Rekord-Geschäftsjahr 2010 auf Null gesetzt hat. Ederer und der Personalverantwortliche für Deutschland, Walter Huber, zogen sich schnell auf die Position zurück, dies entspräche schließlich dem Tarifvertrag. In diesem Zusammenhang betonten sie dessen Notwendigkeit und wiesen darauf hin, dass die Arbeitnehmervertreter den Vertrag im Jahr 2005 mitunterschrieben haben. So leicht lässt sich der schwarze Peter allerdings nicht weiterreichen, denn damals standen viele Niederlassungen mit dem Rücken zur Wand - im Gegensatz zu heute.

Rahmenbedingungen der LeE überprüfen

Der zweite IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel brachte diesen Sachverhalt auf den Punkt: "Als wir 2005 die Tarifvertragliche Sondervereinbarung abgeschlossen haben, geschah dies aufgrund ganz bestimmter Rahmenbedingungen. Heute muss man überprüfen, ob diese Voraussetzungen eigentlich noch vorliegen, und wenn nicht, dann müssen wir sie verändern!" Als Herausforderung bei Siemens führte Wetzel unter anderem die Umsetzung der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Leiharbeit auf: "Das Unternehmen ist jetzt gefordert, die von ihm unterschriebene Leiharbeitsregelung auch einzuhalten, sie praktisch umzusetzen und allen Leiharbeitern, die aus der Regelung heraus den Anspruch auf Übernahme haben, den Weg ins Unternehmen zu ermöglichen."

Strukturelle Schwächen überwinden ...

Die SMART-Strategie darf auch aus seiner Sicht nicht zu Lasten der deutschen Siemens-Arbeitsplätze gehen; in diesem Zusammenhang wird es auch darum gehen, strukturelle Schwächen zu überwinden: "Den Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen zu fordern, wird uns auf Dauer nicht viel nützen, wenn die  Unternehmen ihre strukturellen Hausaufgaben nicht machen."

... mit einer starken Basis

Mit Nachdruck gratulierte Wetzel den Siemens-Betriebsräten zu ihrem Erfolg bei den diesjährigen Betriebsratswahlen, die den Anteil der IG Metall-Betriebsräte um zwei auf 77,5 Prozent erhöhte. Dank und Lob sprach er außerdem für die Mitgliederentwicklung im Unternehmen, die über der in vielen anderen liegt: "Das ist ein überdurchschnittliches Ergebnis. Davon können sich einige andere namhafte Unternehmen durchaus eine Scheibe abschneiden." Die Bedeutung dieser Anstrengungen ist auch für das Meistern künftigter Herausforderungen entscheidend: "Eine starke Mitgliederbasis ist die ausschlaggebende Grundlage dafür, mit dem Vorstand auf Augenhöhe reden zu können."