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18.04.2024, 11:04 Uhr

Betriebsversammlung im Stammhaus mit Siegfried Russwurm

  • 28.06.2010
  • Operativ

Zur Betriebsversammlung im Erlanger Stammhaus konnte die Betriebsratsvorsitzende Sigrid Heitkamp diese Woche einen besonderen Gast begrüßen: Siegfried Russwurm, noch Arbeitsdirektor der Siemens AG, bald CEO des Sektors Industry, stellte sich den Fragen von Betriebsrat und Belegschaft, die bei Erlangen G überwiegend zu diesem Sektor gehört.

Heitkamp gab einleitend einen Überblick über die Situation am Großstandort. Sie fasste die aktuelle Zusammensetzung der Belegschaft zusammen und stellte zurückliegende sowie bevorstehende Veränderungen heraus. Themen waren das neue Konzept "Siemens Office", Leiharbeit und der Personalabbau im Bereich Industrial Solutions IN. Die IS-Leitung hatte Anfang des Jahres mitgeteilt, sie plane dort den Abbau von etwa 250 Stellen in Erlangen.

Abbau bei IS IN

Der Betriebsrat hatte  ab diesem Zeitpunkt vor allem eines gefordert: "Betriebsbedingte Kündigungen kommen auf keinen Fall in Frage." Bei Beratungen mit der Betriebsleitung hinterfragte er kritisch alle Abbauabsichten mit dem Ziel, die Beschäftigung zu halten. Dadurch wurde die Lage für rund 140 der Betroffenen geklärt, wobei sich für die meisten intern neue Stellen fanden. Rund 110 Fälle sind noch offen; der Interessenausgleich ist abgeschlossen, so dass nun die Möglichkeit besteht, Aufhebungsverträge anzunehmen  oder Altersteilzeit zu unterschreiben. Die Konditionen entsprechen dem SG&A-Programm vor 2 Jahren - einschließlich der uneingeschränkten Freiwilligkeit.

EDM: Beratungen gehen in entscheidende Phase

Deutliche Worte fand die Betriebsratsvorsitzende zur Situation bei EDM - „aus der Rubrik Entscheidungen, bei denen man vermuten könnte, sie werden von Leuten getroffen, die nicht so genau wissen, worüber sie entscheiden“. Die Beratungen über die Zukunft dieses Geschäftes gehen derzeit in die heiße Phase. Hier sprach der Betriebsrat konkret den Arbeitsdirektor und künftigen Industry-Chef an: „Ich finde, es wäre ein Zeichen von Größe, wenn Sie sich einfach über die vielen neuen Erkenntnisse freuen und die zum Anlass nehmen, die Entscheidung dementsprechend zu korrigieren und EDM bei Siemens lassen.“

Veränderungen zu Lasten der Belegschaft

Weitere Themen waren der Stand der SIS-Restrukturierung und der Umgang mit ihren Beschäftigten - „ein düsteres Kapitel bei Siemens“ -, der Marsch aus der Wirtschaftskrise in Richtung BRIC-MO und SMART und die Wellen, die von der sogenannten aktiven Portfolio-Politik aus durchs Unternehmen rollen. Im Stammhaus wie anderswo sieht die Arbeitnehmerseite diesen Trend vor allem kritisch. Das ist kein Wunder, denn, so Heitkamp, sie gehen in der Regel zu Lasten der Belegschaft: „Die Veränderungen kommen in immer kürzeren Abständen. Was heute für die EDM oder die SIS gilt, kann morgen schon für irgendeinen anderen Teil hier am Standort Realität werden – vielleicht für einen Bereich, wo man es noch gar nicht vermutet.“

Fragen an Dr. Russwurm

Für den Gast Siegfried Russwurm hatte Heitkamp unterschiedliche Fragen. Vom Arbeitsdirektor wollte sie wissen, was in Zukunft von der Personalpolitik bei Siemens zu erwarten sein wird: „Wie ist Ihre Prognose für Standorte wie unseren? Mit welchen Maßnahmen sorgen Sie dafür, dass die Kompetenz unserer Beschäftigten hier genutzt, erhalten und ausgebaut wird?“ In seiner künftigen Funktion als Leiter des Sektors Industry sollte er andere Auskunft geben: „Worin sehen Sie die Möglichkeiten für die deutsche Elektroindustrie in Zeiten von BRIC-MO und SMART? Und was nehmen Sie sich für die Leitung des Sektors vor?“

Ausführlich, aber unverbindlich

Russwurm äußerte sich ausführlich, aber eher unverbindlich. Er umriss die wirtschaftliche Entwicklung von Siemens, die bekanntlich über den Erwartungen liegt. Die Begründung dafür ist aus den Äußerungen Peter Löschers und anderer Manager bereits bekannt: Siemens ist besser vorbereitet in die Krise hineingegangen als seine Wettbewerber und schickt sich jetzt an, gestärkt aus ihr heraus zu gehen. Die Schwerpunkte auf nachhaltigen und „grünen“ Produkten geben die technologische Richtung vor, die Orientierung zu den Wachstumsmärkten die geographische - und beide, da ist sich Russwurm sicher, versprechen gute Perspektiven.

Für die Sorgen der Beschäftigten und Betriebsräte mit Blick auf EDM und SIS äußerte er zwar Verständnis, sieht aber aus wirtschaftlicher Sicht keine neuen Erkenntnisse, die eine Änderung der Pläne im Vorstand rechtfertigen würden. Etwas anderes war wohl kaum realistisch zu erwarten gewesen, und an diesem Standpunkt konnten auch etliche kritische Nachfragen aus der Versammlung nichts ändern. Immerhin ein kleiner Lichtblick: Im Zusammenhang mit Fragen, wie Siemens denn irgendwann einmal ohne die IT von SIS zurechtkommen soll, stellte Russwurm klar, dass IT für Siemens immer ein wichtiges Feld sein wird.

Zukunft, Beteiligung, Gewerkschaft

Unter diese Überschrift stellte Andrea Fehrmann vom Siemens Team der IG Metall ihren Redebeitrag. Sie verwies auf die hervorragenden Ergebnisse des ersten Quartals und darauf, dass dies zum einen den Konjunkturmaßnahmen geschuldet ist, zum anderen die insbesondere in Wirtschaftskrise das breit aufgestellte Geschäft von Siemens sich als Vorteil erwiesen hat.

Kapazitätsanpassungen, Portfolio-Management, SMART-Strategie sowie die Verlagerung von Fertigung und interner Dienstleistung in Low Cost-Länder stellen die Arbeitnehmerseite dennoch weiter vor Herausforderungen. Starke Interessenvertretung ist vor diesem Hintergrund nötiger denn je, so das Fazit, damit IG Metall und Betriebsräte auch weiter die bestmöglichen Bedingungen für die Beschäftigten erreichen können.