Siemens Dialog
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23.04.2024, 21:04 Uhr

Das Umfeld bleibt herausfordernd

  • 04.12.2009
  • Allgemein

Siemens gab am Donnerstag seine mit Spannung erwarteten Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr bekannt. Diese sind trotz Krise durchaus stattlich, wenngleich aus der Analystenecke etliches Jammern vor allem über die Abschreibung für NSN erklingt. Dennoch erweist sich Siemens einmal mehr als äußerst solide - nicht trotz seines breiten Portfolios, sondern gerade deswegen.

Herausforderndes Umfeld für das Management ...

... und die Arbeitnehmerseite.

Ergebnisziele erfüllt oder übertroffen

Die seit Monaten immer wieder diskutierten Wachstums- und Ergebnisziele konnte Siemens im abgelaufenen Jahr erfüllen, teilweise sogar übertreffen. Der Umsatz lag 2009 mit 76,7 Milliarden Euro nur leicht unter dem erfolgreichen Vorjahr (77,3). Das operative Ergebnis als maßgebliche Kennzahl stieg gar um 13 Prozent auf 7,5, das Ergebnis der fortgeführten Aktivitäten um 32 Prozent auf 2,5 Milliarden. Als Gewinn nach Steuern schließlich verbucht man 2,5 Milliarden Euro; 2008 waren es zwar 5,9, darin enthalten aber der Ertrag von rund 5,5 Milliarden aus dem VDO-Verkauf. Im letzten Quartal musste Siemens allerdings einen Verlust über gut eine Milliarde hinnehmen, der entscheidend auf der Abschreibung für NSN in Höhe gut 1,9 Milliarden Euro beruht.

Zuversicht auch für 2010

Für das laufende Jahr gibt sich CEO Peter Löscher wie gewohnt behutsam optimistisch: "Insgesamt bleibt das Marktumfeld 2010 herausfordernd." Bei Osram und in der Industry Automation sieht er Licht am Ende des Tunnels, in anderen Sparten hingegen ist es noch dunkel; dies werde man aber mit der Konzentration auf Zukunftstechnologien wie den Umweltbereich kompensieren können. Operativ erwartet er derzeit einen Rückgang von 7,5 auf voraussichtlich 6,0 bis 6,5 Milliarden Euro, beim Umsatz ein Minus im einstelligen Prozentbereich.

Notwendige Maßnahmen und punktuelle Anpassungen ...

Damit ist die Überleitung zu der Frage gemacht, welche Pläne man in Sachen Personal(-kosten) hat. "Um die Geschäfte nachhaltig zu sichern, die von der Krise besonders betroffen sind, führen wir notwendige Maßnahmen konsequent fort", kündigte Löscher an, und: "Wir werden uns jetzt den Geschäftsverlauf in den einzelnen Sparten anschauen, dann kann es auch punktuell zu weiteren Anpassungen kommen."

... ohne große Programme?

Zu der Frage, was dies für die Beschäftigung im Konzern bedeutet, wiederholte Löscher: "Bei Siemens gibt es kein konzernweites Restrukturierungsprogramm für 2010, und das brauchen wir auch nicht." Hartnäckig geäußerten Empfehlungen (von Analysten) beziehungsweise Befürchtungen (von Arbeitnehmervertretern), es würden noch rund 10.000 Arbeitsplätze zur Disposition stehen, trat der CEO entschieden entgegen: "Diese 10.000 gibt es nicht, und es gibt auch keinerlei Programm in diese Richtung."

Flexible Begrifflichkeiten

Schön zu hören, aber aufgrund reichlich Raum für subjektive Interpretationen nicht wirklich eine nachhaltige Beruhigung. Es bleibt die Frage, ab welcher Größenordnung man eigentlich von großangelegten Abbauprogrammen spricht -  und was folglich unterhalb davon geschehen kann. Auch ist es vor allem Ansichtssache, welche Art von Maßnahmen man als "zur Disposition stellen" einstufen will.

Anschaulich wird dies an aktuellen Beispielen. 670 Stellen gibt es bei EDM insgesamt, 170 sollen gestrichen werden, die anderen ausgegliedert und verkauft. Ist dies nun eine punktuelle Maßnahme, oder als Teil der "aktiven Portfolio-Politik" schon programmmatisch? Ordnet man ausgegliederte und verkaufte Arbeitsplätze als "zur Disposition stehend" ein, oder steht man auf dem Standpunkt, dass sie nur einer Veränderung unterliegen?

Stellt die Verlagerung von 160 Arbeitsplätzen im Berliner Schaltwerk diese zur Disposition, auch wenn den Betroffenen andere Stellen angeboten werden? Wozu rechnet man die LeiharbeiterInnen, die für diese Ersatzarbeitsplätze zuvor gehen müssen? Wie gesagt: Die Begrifflichkeiten lassen reichlich Raum für je nach Perspektive äußerst unterschiedliche Interpretationen. Dies gilt übrigens auch für die Beruhigung, alle nötigen Maßnahmen würden so sozialverträglich wie möglich vorangetrieben. Was "so sozialverträglich wie möglich" ist, darüber kann man erfahrungsgemäß je nach Standpunkt geteilter Meinung sein.

Das Umfeld bleibt also herausfordernd

- und zwar nicht nur im wirtschaftlichen Sinne, sondern auch aus Sicht der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretung. Und wie für das Unternehmen gilt auch hier: Eine breite, gemeinsame Basis ist die beste Versicherung gegen Erschütterungen und Angriffe.