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20.04.2024, 11:04 Uhr

Die Million im Blick

  • 28.07.2011
  • Allgemein

Rund 800.000 LeiharbeitnehmerInnen gibt es laut Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister aktuell in Deutschland, der Kriseneinbruch ist längst überwunden. Die Branche erwartet, noch im Herbst die Millionengrenze zu überschreiten. Die Bundesagentur für Arbeit zählt unter den Betroffenen drei Viertel Niedriglohnempfänger und zehn Prozent Hartz IV-Aufstocker.

Andreas Dinges (Foto: Adecco)

Langsam auf die Millionengrenze

In einem <link http: www.welt.de wirtschaft article13502664 wir-bewegen-uns-auf-die-millionengrenze-zu.html _blank external-link-new-window>undefinedGespräch mit der "Welt" erklärte am Wochenende Andreas Dinges, Deutschland-Chef des Branchenriesen <link http: www.adecco.com aboutadecco organisation executivecommittee pages executivecommittee.aspx _blank external-link-new-window adecco>undefinedAdecco und Vorstandsmitglied im Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (<link http: www.personaldienstleister.de _blank external-link-new-window bap>undefinedBAP), dass die Branche unverändert boomt: "Wir bewegen uns langsam auf die Millionengrenze zu, ich rechne damit, dass wir sie im Oktober oder November erreichen." Die Probleme der Verleiher liegen folglich längst nicht mehr in mangelnder Nachfrage der Unternehmen: "Es wird immer schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu finden und sie dann auch noch von der Zeitarbeit zu überzeugen."

Schlechtes Image bei den ArbeitnehmerInnen

Dass das auch etwas mit den Nachteilen der Leiharbeit zu tun hat, räumt Dinges unumwunden ein: "Die Mehrheit zieht es vor, nicht über Zeitarbeit einen Job zu finden." Die Ursache allerdings sucht er zuerst einmal weniger im eigenen System als außerhalb, nämlich in "diversen Anti-Zeitarbeitskampagnen". Die "Welt" verzichtet leider auf eine eigentlich daraus zwangsläufig resultierende Nachfrage: Wie kommt es, dass die Anzahl der Leihbeschäftigten rapide wächst, obwohl die Betroffenen selbst viel lieber reguläre Arbeitsverhältnisse hätten?

Interessant wird es auch bei der Frage nach der Bezahlung. In der Adecco-Gruppe zahle man Tarif, betont Dinges, wobei natürlich der eigene Zeitarbeitstarif gemeint ist. Außerdem habe man im "gesamten Konzern mindestens 50 Prozent" qualifizierte Kräfte, die übertariflich bezahlt würden. Das mag stimmen, wäre dann aber gewiss nicht repräsentativ für die Leiharbeit insgesamt.

Drei Viertel in Niedriglohn, zehn Prozent Aufstocker ...

Die Bundesagentur für Arbeit nämlich weist in ihren Statistiken knapp 74 Prozent der in Leiharbeit vollzeitbeschäftigten Betroffenen als Niedriglohnempfänger* aus. Zum Vergleich: Der branchenübergreifende Durchschnittswert liegt unter 23 Prozent. Ähnlich alarmierend ist die Anzahl der sogenannten"Aufstocker", die trotz Beschäftigung auf Hartz IV-Leistungen angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können - sie liegt laut Bundesagentur in der Leiharbeit bei zehn Prozent.

... und generell weit unter dem Schnitt

Angesichts dieser Zahlen ist es nur logisch, das LeiharbeitnehmerInnen insgesamt im Durchschnitt schmerzhaft weniger verdienen als Menschen in normalen Beschäftigungsverhältnissen. Als mittleres Bruttomonatsentgelt errechnet die BA für das Jahr 2010 gerade einmal 1.419 Euro; der Durchschnitt aller sozialabgabenpflichtig Vollzeitbeschäftigten lag im selben Zeitraum mit 2.702 Euro fast doppelt so hoch.

Zynische Empfehlung

Nachgerade zynisch wirkt angesichts dieser Fakten eine <link http: www.personaldienstleister.de pressemeldung-07.html _blank external-link-new-window bap>undefinedPressemitteilung des Zeitarbeitsverbandes vom 19. Juli. BAP-Präsident Volker Enkerts empfiehlt darin dem statistischen Bundesamt, von seiner auf Leiharbeit angewandten Bezeichnung "atypisch" abzurücken und begründet: "Insgesamt besitzt die Zeitarbeit alle Attribute, die man mit einem normalen Beschäftigungsverhältnis assoziiert."


*  ? 1.800 €, entspricht ? zwei Drittel des Durchschnittsentgelts von 2.700 € (Stand 2010)