Siemens Dialog
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26.04.2024, 01:04 Uhr

"Eine bodenlose Sauerei"

  • 18.01.2008
  • Konzern

... nennt der NRW-Bezirksleiter der IG Metall Oliver Burkhard die geplante Schließung des Nokia-Werks in Bochum. Kritik hagelt es auch von anderer Seite. Der Vorgang ruft unheilvolle Erinnerungen an den Fall BenQ wach, von dem man annahm, er könne sich nicht wiederholen. Der Nokia Siemens Networks-Gesamtbetriebsrat sprach den Bochumer Kollegen seine Solidarität aus.

Nicht nur die IG Metall will prüfen lassen, was für Fördergelder Nokia in der Vergangenheit für den Betrieb kassiert hat; auch Politiker aus mehreren Fraktionen wollen wissen, ob Nokia unter dem Strich abgeschöpft hat, was zu holen war, und nun zu neuen Profitquellen aufbricht. Die EU dementiert unterdessen, dass der neue Standort in Rumänien von europäischer Förderung profitiert habe, schließt jedoch mittelbare Unterstützung durch Infrastrukturmaßnahmen nicht aus. Nokia selbst bestreitet direkte Finanzmittel, die Rede ist jedoch von "indirekten Fördergeldern". Einschließlich von Zulieferern und Leiharbeitnehmern sind rund 4.000 Arbeitsplätze in Bochum bedroht.

Burkhard erklärte, die IG Metall werde für den Erhalt der Arbeitsplätze kämpfen und rügte, dass nicht etwa rote Zahlen des Werks die Ursache für den Verlagerungsentscheid seien: "Das Werk in Bochum soll nicht geschlossen werden, weil es defizitär ist, sondern weil es der Gewinnsucht des Nokia-Managements nicht genügt." Der Betriebsrat und die IG Metall in Bochum einigten sich am Donnerstag auf ihre nächsten Schritte für den Erhalt der Arbeitsplätze. Neben einem angestrebten Treffen mit dem Nokia-Vorstand in Finnland steht dabei am kommenden Dienstag (22. Januar) eine Großkundgebung auf dem Plan.

"Eine ganz rüde Form von Steinzeitkapitalismus"

... nennt der frühere nordrhein-westfälische Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) das Vorgehen des finnischen Handy-Riesen. Nokias Erklärung, die Ansiedlung von Zulieferern sei hinter seinen Erwartungen zurückgeblieben, wies er als "ganz billige Verteidigungsrede" zurück: "Das sind jetzt Schutzbehauptungen." Bundesfinanzminister Peer Streinbrück spricht von "Karanwanenkapitalismus" und bezweifelt, dass Protest und Verhandlungen die geplante Verlagerung noch aufhalten können.

Rettung durch Verhandlungen?

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) warnte Nokia vor möglichen Imageschäden: "Nokia sollte bedenken, was das für Folgen - auch wirtschaftlich - haben könnte." Er will mit Nokia über den Erhalt des Standorts verhandeln und weist unter anderem auf die Bereitschaft des Betriebsrats hin, Veränderungen mitzutragen.

Solidaritätsadresse des Nokia Siemens Networks-Gesamtbetriebsrats

Auf besondere Aufmerksamkeit stoßen die Ereignisse bei NSN, wo man das rigorose Vorgehen des Mutterkonzerns vergangenen Sommer selbst zu spüren bekam. In einer Solidaritätsadresse (siehe Download) erklärte der Gesamtbetriebsrat, er sei "entsetzt, auf welche Art und Weise Nokia dabei ist, seinen Ruf als Arbeitgeber und als Handy-Hersteller Nr. 1 bei Beschäftigten und Verbrauchern zu beschädigen." Verlagerungen und Standortschließungen seien "eine Bedrohung, die immer weiter um sich greift, und vor der Arbeitnehmer nirgends mehr sicher sind."