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29.03.2024, 08:03 Uhr

Ende der Krise nicht absehbar

  • 17.07.2009
  • Allgemein

Einzelne Kennzahlen liegen unerwartet gut, manche Unternehmen überraschen mit schwarzen Zahlen, das Konsumklima bleibt verhalten positiv, und die Wall Street schickt sich nach neuen Milliardengewinnen bei Goldman Sachs an, die riskanten Aktivitäten von früher unverdrossen wieder aufzunehmen. Ist die Krise vorbei?

Natürlich würde man diese Frage am liebsten mit "Ja" beantworten - das aber wäre verantwortungslos und verharmlosend. So willkommen einzelne Lichtschimmmer sind, so gewiss ist, dass die Wirtschaft längst nicht am Ende des Tunnels angekommen ist. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (<link http: www.boeckler.de _blank external-link-new-window>IMK) der Hans Böckler-Stiftung warnt daher in seiner aktuellen Prognose: "Ein Ende der tiefen Wirtschaftskrise ist noch nicht absehbar."

Vom Absturz in den Sinkflug

Das IMK geht für das deutsche Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr von einem Rückgang um 6,5 Prozent aus. Ab der zweiten Jahreshälfte gehe der Absturz zwar in einen Sinkflug über, so der Report, weil die staatlichen Konjunkturmaßnahmen deutlich verstärkt greifen. Grund zum Aufatmen besteht dennoch kaum: "Die Grundtendenz bleibt aber weiterhin leicht negativ. Auch 2010 wird die deutsche Wirtschaft noch einmal leicht schrumpfen - um 0,4 Prozent."

Arbeitslosenquote über 10 Prozent

Als Folge dieser Entwicklung werden den Experten zufolge trotz des derzeit spürbaren positiven Einflusses der Kurzarbeit in der zweiten Jahreshälfte 2009 zunehmend Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Im Jahresdurchschnitt 2009 steht eine Arbeitslosenquote von 8,2 Prozent zu erwarten, 2010 kommt dann die Krise ungebremst auf dem Arbeitsmarkt an - das IMK rechnet mit rund 4,45 Millionen Arbeitslosen beziehungsweise 10,3 Prozent. Das Fazit dieser Berechnungen: "Diesem dramatischen Anstieg sollte die Wirtschaftspolitik nicht  tatenlos zusehen."

Im vorige Woche erschienenen IMK Report Nr. 39 (<link http: www.boeckler.de pdf p_imk_report_39_2009.pdf _blank external-link-new-window>Download als PDF) senkt das Institut seine Erwartungen für das BIP im Jahr 2009 um 0,5 Prozent. Prof. Dr. Gustav Horn, wissenschaftlicher Direktor des IMK, warnt davor, tatenlos zuzusehen und auf eine Selbstheilung der Wirtschaft zu hoffen: "Wenn wir nicht noch mehr tun, wird die deutsche Wirtschaft längere Zeit auf der Talsohle verharren und die Arbeitslosigkeit weiter drastisch steigen."

"Sprunghaftigkeit und Widersprüchlichkeit bei vielen Politikern"

Die Konjunkturforscher empfehlen daher dringend ein drittes Konjunkturprogramm, sind jedoch angesichts der aktuellen Debatten selbst eher pessimistisch über dessen Wahrscheinlichkeit: "Wir beobachten im Moment eine beunruhigende Sprunghaftigkeit und Widersprüchlichkeit bei vielen Politikern und manchen Wissenschaftlern."

Der stets als deutscher Wachstumsmotor geltende Außenhandel trägt in diesem Jahr mit einem Rückgang der Exporte 17,8 Prozent  entscheidend zum Rückgang des BIP bei. Für das kommende Jahr wird eine leichte Belebung der Weltkonjunktur erwartet; diese aber reicht gerade einmal aus, im Verbund mit sinkenden Importen den Wachstumsbeitrag des Außenhandels wieder leicht in den positiven Bereich zu rücken.

Der private Konsum wirkt bislang, nicht zuletzt wegen Stützungsmaßnahmen wie der Umweltprämie, relativ unbeeindruckt von der Krise. Das wird aus heutiger Sicht nicht so bleiben, wenn ab Ende 2009 die Beschäftigung zurückgeht. Zeichnet sich für dieses Jahr noch ein kleines Wachstum von 0,2 Prozent ab, sagt das IMK für 2010 einen Rückgang um 1,4 Prozent voraus.

"Europaweit politischer Attentismus"

In dieser Situation betonen die Makroökonomen die Dringlichkeit "zusätzlicher fiskalpolitischer Maßnahmen im gesamten Euroraum", die jedoch "angesichts des europaweiten politischen Attentismus" nicht zu erwarten sind. Mit anderen Worten: Politik und Zentralbanken müssten Kauf- und Investionsanreize schaffen, warten aber statt dessen weitgehend passiv ab.