Siemens Dialog
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28.03.2024, 20:03 Uhr

Erste Bezirkskonferenz zur Zukunftsvision "Siemens 2020"

  • 12.03.2013
  • Allgemein

In Berlin fand am 11. März die erste der bezirklichen Konferenzen zur Zukunftsvision der Arbeitnehmerseite "Siemens 2020" statt. Über 70 Betriebsräte und Vertrauensleute erarbeiteten gemeinsam konstruktive Alternativen zum Unternehmensprogramm "Siemens 2014". Das Motto: Zukunft gestalten und damit Vorankommen - mit Menschen, Investitionen, Innovationen.

Siemens' Zukunft im Fokus (alle Fotos: C. v. Polentz)

"Ohne Mensch keine Marge - Zukunft nur mit uns!" so lautete bekanntlich das Motto des bundesweiten Aktionstages, zu dem am 21. Februar Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Siemens Stellung gegen den aktuellen Management-Kurs bei Siemens bezogen. "Siemens 2014" soll 6 Milliarden Euro in zwei Jahren einsparen und die Marge von 9,5 auf 12 Prozent steigern. Dem Rückwärtsgang des damit verbundenen Personalabbaus setzen die SiemensianerInnen und die IG Metall "Siemens 2020" entgegen.

Diese Idee konkretisieren Gesamtbetriebsrat und IG Metall in sieben Konferenzen der Tarifbezirke. Der Startschuss fiel im IG Metall-Bildungszentrum Berlin. "Im  IG Metall-Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen arbeiten rund 20.000 Siemens-Beschäftigte in 26 Siemens-Konzernbetrieben. Die Belegschaften wissen: Wer nur auf die Marge schaut, verspielt die Zukunft. Diese Erfahrungen haben besonders die Kolleginnen und Kollegen im Osten gemacht. Es waren Betriebsräte und Metaller, die erfolgreich für Standorterhalt und Innovation an den Standorten gestritten haben - mit dem Ergebnis, dass die Siemens-Betriebe heute gut aufgestellt sind", stellte Olivier Höbel, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, die aktuelle Situation dar.

Dem Kosteneffizienzprogramm Siemens 2014 setzt die Arbeitnehmerseite ihren Gegenentwurf "Siemens 2020" entgegen: eine langfristige, nachhaltige Perspektive für Siemens und seine Beschäftigten, wissenschaftlich gestützt auf eine Studie des IMU-Institutes. "Siemens 2020" entsteht in einem gemeinschaftlichen Prozess, den Gesamtbetriebsrat und die Verbindungskreise, die Betriebsräte und Vertrauensleute sowie das Siemens-Team der IG Metall vorantreiben und an dem sie alle interessierten Beschäftigten beteiligen wollen. Ein wesentliches Kennzeichen dieses Prozesses ist seine Transparenz - er wird nicht geheimnisvoll hinter verschlossenen Türen stattfinden.

Was steckt in "Siemens 2020"?

Dr. Jürgen Dispan vom IMU-Institut stellte zunächst die Studie "Industriepolitik und Unternehmensstrategie" vor, die als Grundlage für den Prozess "von unten" zur Erarbeitung der Unternehmensstrategie "Siemens 2020" steht.
"Wir setzen uns für eine nachhaltige Unternehmensstrategie ein, die weiterhin auf Pionierarbeit setzt und einen langen Atem zulässt – insbesondere bei mittel- bzw. langfristig aussuchtstreichen Greentech-Zukunftsfeldern", erklärte Jürgen Kerner, Vorstandsmitglied der IG Metall und Siemens-Aufsichtsrat.

Weg vom kurzfristigen Margen-Denken

Lothar Adler, stellt als Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates dessen Position dar: "Wir wollen weg vom kurzfristigen Margen-Denken. Als Betriebsräte sind wir gefordert, anders zu arbeiten. Wir müssen in unserer Arbeit neue Prioritäten setzen und auch unsere Arbeitsweise verändern. Siemens 2014 fordert uns noch einmal neu heraus, Beschäftigung an unseren Standorten zu sichern. Wenn wir eine Perspektive für "Siemens 2020" haben wollen, müssen wir die Führungsleute einbinden und wir die treibende Kraft sein."

Bausteine für nachhaltige Wertschöpfung

Wie aber sollte eine Deutschland-Strategie des Konzerns aussehen, die Arbeitsplätze, Standorte und Wettbewerbsfähigkeit auch in Berlin erhält und ausbaut? Die vier wesentlichen Bausteine für eine nachhaltige Wertschöpfungsstrategie sind laut der IMU-Studie:
- Konzernübergreifende Integration, Vernetzung und Gesamtoptimierung,
- langer Atem bei Zukunftstechnologien,
- Produktion im Heimatmarkt Deutschland und
- Wertschöpfungstiefe.

Birgit Steinborn, stellvertretende Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, berichtete vom Beispiel der Strahlen- und Partikeltechnologie. Diese Zukunftstechnologie ist zu früh aufgegeben worden, da keine schnelle Marge erzielt wurde. Es gibt Zukunftsfelder, die kurz-, mittel- und langfristig Geschäft und damit auch Beschäftigung beinhalten und für die  Siemens als integrierter Technologiekonzern prädestiniert und auch schon unterwegs ist. Jetzt kommt es darauf an, dafür zu streiten, dass nicht nur nach der Höhe der Marge entschieden wird, sondern aussichtsreiche Geschäftsfelder langfristig entwickelt werden. Auch die vorgestellten Bausteine einer nachhaltigen Wertschöpfungsstrategie überzeugten die TeilnehmerInnen.

"Unsere strategischen Schwerpunkte gewinnen weiter an Bedeutung, wenn es um Beschäftigung geht. Innovation und Investition im Sinne einer nachhaltigen Standortentwicklung sollten frühzeitig von den Betriebsräten vor Ort voran getrieben werden. Das bedeutet auch den Anspruch, in wirtschafltichen und strategischen Fragen mitzugestalten, was auf der Firmenseite in der Regel nicht auf Gegenliebe stößt", fasste Steinborn zusammen.

Kultur des Zusammenhaltes

"Gegen die kurzfristige Renditeoptimierung von 2014 setzen wir unseren langfristigen Ansatz 'Siemens 2020'.  Zielsetzung ist es, unsere Produktions- und Entwicklungsstandorte mit ihren Beschäftigten langfristig zu erhalten", betonte Kerner. "Jetzt müssen wir unsere Ideen und Vorschläge vor Ort an den Standorten verankern. Wichtig sind jetzt die Diskussionen der Vertrauensleute und Betriebsräte an den Standorten: Wie soll unsere Arbeit am Standort 2020 aussehen? Welche Produkte, Technologien, Prozesse? Wie wollen wir arbeiten?"

Die Leiter der Berliner Vertrauenskörper wollen sich dazu zusammensetzen und das weitere Vorgehen vor Ort besprechen. Die Diskussionen an den Standorten sollen in der Sommerpause zusammengefasst werden und dann konkrete Forderungen für die verschiedenen Ebenen erarbeitet werden. "Wir wollen eine Erweiterung der Mitbestimmung auf der örtlichen und zentralen Ebene. Darüber wollen wir im Herbst mit dem Vorstand sprechen", so Kerner weiter. "Dies setzt voraus, dass wir als IG Metall auch stärker werden. Eine stärkere Mitbestimmung bei Zukunftsfragen werden wir nicht nur mit Gesprächen erreichen - wir müssen deutlich machen, dass die Belegschaften hinter unseren Forderungen stehen. Ziel ist auch, unsere Zusammenarbeit unter den Standorten und die der örtlichen Ebenen mit dem Gesamtbetriebsrat und der IG Metall zu verstärken. Ich wünsche mir eine Kultur des Zusammenhaltes. Wenn der Vorstand jemals die Hände an einen Sektor legen sollte, dann müssen wir im Gesamtbetriebsrat oder Aufsichtsrat klar formulieren können, dass zeitnah Widerstand an allen Standorten erfolgt."

In  vielen Diskussionsbeiträgen stimmten die anwesenden Betriebsräte und Vertrauenskörperleiterinnen und -leiter zu und unterstrichen, dass es hierzu einer Verständigung in den Gremien bedarf und die Diskussion mit den Beschäftigten forciert werden müsse. Hervorgehoben wurde wiederholt die gute Vernetzung der Standorte untereinander, die weiter ausgebaut werden sollte. Die Rolle des Gesamtbetriebsrates und des Siemens-Teams wurde in diesem Zusammenhang positiv bewertet und auch die kurzen "Drähte" der Betriebsräte im Verbindungskreis Ost haben bereits zu konkreten Hilfestellungen beim Einsatz von Beschäftigten an anderen Standorten geführt. Dies alles sind gute Voraussetzungen, um in den nächsten Wochen und Monaten "Best Practice"-Beispiele auch bei der Entwicklung und Umsetzung von "Siemens 2020" an den Standorten auszutauschen.

Das Ziel der Zukunftskonferenz, gemeinsam mit der Diskussion um Siemens 2020 zu beginnen und erste Verabredungen zu treffen, wurde mehr als erfüllt. Die Konferenz endete mit einer optimistischen  Stimmung und wurde von allen Beteiligten als gelungener Auftakt empfunden.


Über die weiteren Schritte im Prozess von "Siemens 2020" sowie die Konferenzen der anderen Bezirke wird regelmäßig im Siemens Dialog berichtet.