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29.03.2024, 10:03 Uhr

Führungskraft, männlich, 40, kriminell

  • 31.08.2011
  • Allgemein

- so könnte man überspitzt den typischen Wirtschaftskriminellen beschreiben. Eine Studie stellt außerdem fest, dass es sich meist um langjährige Mitarbeiter mit entsprechender Erfahrung handelt. Diese nutzen sie, um vor allem von Lücken in den internen Kontrollsystemen zu profitieren - Ähnlichkeiten mit früheren Siemens-Fällen sind wohl kein Zufall.

Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft <link http: www.kpmg.de presse _blank external-link-new-window>undefinedKPMG veröffentlichte vergangene Woche ihre Studie*, die rund 350 Delikte aus 69 Ländern auswertet. Über 80 Prozent der Straftaten werden demnach durch männliche Führungskräfte vor allem im Finanzbereich oder Vertrieb begangen. In gut 40 Prozent der Fälle sind sie zwischen 36 und 45 Jahre alt, in 60 handelt es sich um Mitarbeiter, die dem Unternehmen schon über fünf Jahre angehören. Der Schaden pro Fall beläuft sich durchschnittlich auf eine Million Euro.

Alarmierende Schwächen in der Kontrolle

In fast drei von vier Fällen werden unzulängliche interne Kontrollen ausgenutzt. Im Vergleich zu Daten der letzten Untersuchung von 2007 ist dies ein enormer Anstieg um rund 25 Prozent, laut KPMG "ein Alarmzeichen". Am häufigsten kommen Veruntreuung von Vermögenswerten oder Betrug beim Einkauf vor, gefolgt von gefälschten oder geschönten Zahlen im Finanz-Reporting.

Kriminelle werden gemacht

Als Trost für die Unternehmen mag dienen, dass sie es selbst ein Stück weit in der Hand haben, ob ihre Mitarbeiter irgendwann straucheln. Die wenigsten nämlich haben von Haus aus einen entsprechenden Vorsatz. Statt dessen sind oft Veränderungen der persönlichen Lebensumstände oder Frustration und Leistungsdruck die Auslöser.

Vertane Chancen

Auch mehr Aufmerksamkeit und Transparenz, beispielsweise durch ein effektives Compliance-System wie bei Siemens, können viel helfen. Für kriminelle Handlungen gibt es Warnsignale, die jedoch sehr oft einfach ignoriert werden. Als Beispiel werden plötzliche Änderungen im Lebensstil oder die Weigerung angeführt, in Urlaub zu gehen - aus Angst vor Entdeckung während der Abwesenheit.

Wenig transparent ist oft auch der Umgang mit einmal entdeckten Fällen. Aus Sorge vor Image-Schäden erfolgt meistens keine Kommunikation nach außen, häufig sogar nicht einmal nach innen. KPMG interpretiert dies als "vertane Chance mit Blick auf Prävention", denn: "Das Management muss sich klar und eindeutig zu einer Null-Toleranz-Haltung gegenüber Regel- und Gesetzesverstößen bekennen."

Compliance ohne Ethik?

Spätestens seit dem Fall Siemens befindet sich die Einrichtung von Compliance-Strukturen immerhin im Aufwind und wurde in fast jedem zweiten deutschen Großunternehmen zur Chefsache. Unter "Compliance" versteht man allerdings in der Regel nur die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben und interner Richtlinien. Gerade einmal 17 Prozent meinen damit auch Ethik, Moral oder nachhaltiges Wirtschaften - ein grundlegendes Manko, nicht nur wegen der von KPMG angeführten Image-Schäden durch unethisches, aber juristisch legales Verhalten.


* "Who is a typical fraudster?" - Musteranalyse wirtschaftskrimineller Handlungen (<link http: www.kpmg.de docs _blank external-link-new-window>undefinedPDF-Download bei KPMG)