Siemens Dialog
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29.03.2024, 16:03 Uhr

Gesamtbetriebsrat der Siemens AG fordert „New Deal“

  • 22.04.2009
  • Allgemein

Während der Vorstand der Siemens AG stückweise die Auswirkungen der Krise auf das Unternehmen bekannt gibt, fordert der Gesamtbetriebsrat angesichts der aktuellen Situation und der erwarteten Entwicklung in einem Positionspapier eine Neuorientierung. Oberstes Ziel sind die Beschäftigungssicherung und eine langfristige, nachhaltige Unternehmensentwicklung.

"New Deal" für Siemens: Lothar<br>Adler und Birgit Steinborn.

In einer Pressemitteilung vom 22. April (siehe Dateien) stellt der Gesamtbetriebsrat fest, dass Siemens zunehmend von der Krise betroffen ist. Die Zahl der Beschäftigten, für die Kurzarbeit schon aktuell läuft oder fest vereinbart ist, beziffert er mit 20.000. Wenngleich derzeit primär der Sektor Industry betroffen ist, zeichnet sich mittel- oder sogar kurzfristig die Ausweitung auch auf Bereiche mit mehrjährigen Auftragszyklen ab. Die stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende Birgit Steinborn fasst zusammen: "Die Geschwindigkeit der Beschäftigungseinbrüche ist dramatisch."

Ausrichtung "gründlich ändern"

In einem aktuellen Positionspapier schließt sich das Gremium der Analyse der IG Metall zur weltweiten Krise an, nach der die kapitalistische Weltwirtschaft einen Systeminfarkt verzeichnet. Für Siemens AG bedeutet das, mit den Folgen der einseitigen Ausrichtung am Shareholder Value-Prinzip konfrontiert zu werden, so der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Lothar Adler: „Siemens wird seit Jahren zunehmend an den Interessen kurzfristiger Aktienspekulation ausgerichtet, nicht an langfristiger und nachhaltiger Entwicklung. Das muss sich jetzt gründlich ändern.“

Ziele auf realistisches Niveau korrigieren

Vor diesem Hintergrund fordert der Gesamtbetriebsrat den Siemens-Vorstand auf, die Ziele für Ergebnis und Margen auf ein realistisches Niveau zu korrigieren. Gleichzeitig verlangt er eine Reihe von Maßnahmen für den Erhalt der Arbeitsplätze und Standorte, um die bereits per Gesamtbetriebsvereinbarung definierten Instrumente auszuweiten.

Die Siemens AG, die IG Metall und der Gesamtbetriebsrat haben schon 2008 den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis September 2010 vereinbart. Angesichts der Krise ist Siemens aus Arbeitnehmersicht nun erst recht aufgefordert, soziale Standards und Beschäftigungsbedingungen zu verbessern. Der Gesamtbetriebsrat begrüßt daher Ansätze wie die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze für benachteiligte Jugendliche ebenso wie die Verhandlungen für die Beschäftigungsverbesserung von Schwerbehinderten, gegen Leiharbeitsmissbrauch und für ein internationales Rahmenabkommen über Beschäftigungsbedingungen. Auch das Bekenntnis des Vorstands zur deutschen Mitbestimmung und seine Zusage, 2009 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, finden ungeteilte Zustimmung.

Grundsatzdebatte über Arbeitszeiten

Diese positiven Ansätze reichen jedoch nicht aus, weshalb der Gesamtbetriebsrat eine offene Grundsatzdebatte über Arbeitszeiten fordert: „Vertrauensarbeitszeit und Ausdehnung von Mehrarbeit gehören auf den Prüfstand, neue Möglichkeiten für Teilzeit und Altersteilzeit müssen geschaffen werden. Die Einführung von Kurzarbeit hat klar bewiesen, dass Arbeitszeitverkürzung in der aktuellen Situation das beste Mittel zur Arbeitsplatzsicherung ist“, betont Adler.

Offenes Klima ...

Mit Blick auf das grundlegende Selbstverständnis von Siemens fordert der Gesamtbetriebsrat, statt veralteter Standardlösungen kreative, unkonventionelle Modelle zur Krisenbewältigung zu entwickeln und dabei seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubinden. Adler erklärt: „Das Ziel muss es sein, statt Angst und Misstrauen ein offenes Klima der Kreativität und Innovationen zu schaffen.“

... unter Einbezug der Arbeitnehmerseite

Dazu gehören auch Mitspracherechte der Arbeitnehmervertreter bei strategischen Investitionen und eine stärkere Ausrichtung der Strategie auf langfristige Ziele unter Wahrung nachhaltiger, sozialer und ökologischer Kriterien. Steinborn führt aus: „Die Unterordnung unter die Finanzmärkte hat uns in diese Krise geführt. Siemens muss daraus die Lehren ziehen. Statt kurzfristig wirksamer Spar- und Verlagerungskonzepte brauchen wir den Ausbau einer nachhaltigen Innovationsführerschaft.“

Siemens zeichnet sich nicht durch möglichst billige Produkte aus, sondern durch Spitzentechnologie, innovative Produkte und Kundennähe. Der Gesamtbetriebsrat fordert daher, die flächendeckende Vertriebs- und Serviceorganisation zu stärken. Ausdrücklich warnt er vor Sparen am falschen Ende - an Vertrieb und Service beim Kunden. Dasselbe gilt für die Präsenz am deutschen Heimatmarkt, in dem Siemens die gesamte Wertschöpfungskette abbilden muss, um international als Global Player bestehen zu können.

"New Deal" zwischen Firmenleitung, IG Metall, Gesamtbetriebsrat und Betriebsräten gefordert

In diese Richtung ruft der Gesamtbetriebsrat dazu auf, trotz des  Interessengegensatzes zwischen Kapital und Arbeit bei Siemens gemeinsam im Unternehmen Lösungen zur Überwindung der Krise zu finden. Abschließend formuliert er daher in seinem Positionspapier: „Wir brauchen einen ‚New Deal’ in der Zusammenarbeit zwischen Firmenleitung, IG Metall, Gesamtbetriebsrat und örtlichen Betriebsräten. Es sind die Menschen, die das Unternehmen Siemens ausmachen. Wirtschaft ist kein Naturprozess, sondern wird von Menschen gesteuert und beeinflusst. Wirtschaft hat den Bedürfnissen der Menschen zu dienen. Das ist unsere Leitlinie und auf dieser Grundlage wird es uns gelingen, offensiv aus der Krise herauszukommen.“