Siemens Dialog
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23.04.2024, 15:04 Uhr

Interessenausgleich bei Industry in Bad Neustadt

  • 18.05.2010
  • Operativ

Im Konflikt um die Abbaupläne bei Siemens Industry in Bad Neustadt haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf einen Interessenausgleich verständigt, dem der Siemens-Gesamtbetriebsrat am 18. Mai zugestimmt hat. Vorausgegangen waren lange und schwierige Verhandlungen, begleitet von zahlreichen, beeindruckenden Protesten der Beschäftigten.

Großkundgebung in Bad Neustadt im Februar 2010.

Zahlen reduziert, betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen

Mit dem Interessenausgleich reduziert sich der Umfang des Abbaus von ursprünglich geplanten 840 auf 640 Stellen. Er soll gestaffelt bis Ende September 2012 umgesetzt werden, wobei betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. Parallel wird laufend die Möglichkeit der Ansiedlung neuer Arbeitsplätze geprüft und mit dem Betriebsrat abgestimmt. Ergibt sich die Chance auf neue Arbeitsplätze aufgrund technologischer Entwicklungen, hat Bad Neustadt bei entsprechender Eignung Vorrang. Ein erster Schritt in diese Richtung ist bereits mit der Entscheidung der Siemens AG erfolgt, in Bad Neustadt ein Innovations- und Technologiezentrum sowie neue Technologien für Komponenten von getriebelosen Windturbinen anzusiedeln. Dadurch entstehen zusammen rund 200 neue Arbeitsplätze.

Mindestens 1.600 Arbeitsplätze bis 2012, Ausbildung bleibt unangetastet

Siemens sagt eine Mindestgrenze von 1.600 Arbeitsplätzen in Bad Neustadt für die nächsten drei Jahre zu. Die Anzahl der Auszubildenden verringert sich nicht. Unter dem Strich wird damit der ursprünglich geplante Personalabbau faktisch nur zur Hälfte umgesetzt; anfangs zählte der Standort rund 2.100 Beschäftigte.

Für die betroffenen Beschäftigten sieht der Interessenausgleich eine Reihe von Möglichkeiten vor, die von von betriebs- und unternehmensinternen Versetzungen über Altersteilzeitverträge, vorzeitige Beendigungen und Aufhebungsverträge bis zu einer für zwei Jahre einzurichtende Beschäftigungsgesellschaft mit Qualifizierungen für den externen Arbeitmarkt reichen.

Tragfähiger Kompromiss durch gute Mobilisierung

IG Metall und Gesamtbetriebsrat bewerten dieses Ergebnis als tragfähigen Kompromiss, der nur durch das massive Engagement der Beschäftigten zu erreichen war. Sie hatten sich vom Start im Januar weg gegen den Kahlschlag gestemmt und dabei erfolgreich die gesamte Rhön mobilisiert. Der Arbeitsplatzabbau konnte zwar selbst dadurch nicht ganz verhindert, aber dafür deutlich vermindert werden. Parallel sind nun Weichen gestellt, um den Standort mit der Ansiedlung neuer Technologien für die Zukunft abzusichern. Die Bedingungen für die Betroffenen - keine betriebsbedingten Kündigungen, zahlreiche Alternativoptionen - entsprechen dem höchsten Standard, der in vergleichbaren Fällen bei Siemens je erreicht wurde.

IG Metall fordert weiter Gesamtstrategie für Arbeitsplätze in Deutschland

Sibylle Wankel, Tarifexpertin der IG Metall Bayern und Aufsichtsratsmitglied der Siemens AG: "Der jetzt abgeschlossene Interessenausgleich erfüllt sicher nicht alle Hoffnungen der Beschäftigten, immerhin aber zwei wesentliche Forderungen der IG Metall: Siemens wird in Bad Neustadt keine Kündigungen aussprechen. Gleichzeitig kommen mit dem Innovations- und Technologiezentrum für getriebelose Windturbinen zukunftsweisende Ersatzarbeitsplätze in die Rhön-Region. Damit bleibt Bad Neustadt auch in den kommenden Jahren ein wichtiger Standort für den Sektor Industry. Siemens sollte diese Frist nutzen, um standortübergreifend an weiteren Alternativen zum Stellenabbau zu arbeiten. Von einem Aushängeschild der deutschen Industrie erwarten und fordern wir eine Gesamtstrategie für sichere und qualifizierte Arbeitsplätze in Deutschland."

Grundsätzliche Forderungen durchgesetzt

Lothar Adler, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Siemens AG, bewertet den Interessenausgleich: "Mit den erzielten Vereinbarungen konnte ein zukunftsfähiger Interessenausgleich für Bad Neustadt erreicht werden. Wir haben nach schwierigen Verhandlungen grundsätzliche Forderungen durchgesetzt. So konnte eine Mindestanzahl von Beschäftigten festgesetzt werden, es werden neue Arbeitsplätze geschaffen und mindestens bis 2012 keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen. Angesichts der Ausgangslage ist das Ergebnis für unsere Kolleginnen und Kollegen sehr gut."