Siemens Dialog
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29.03.2024, 06:03 Uhr

Joint Venture mit Valeo bringt zusätzliche Verunsicherung in Bad Neustadt

  • 20.04.2016
  • Operativ

In einer Presseinformation gab Siemens am Montag Abend bekannt, seinen Geschäftsbereich eCar Powertrain Systems vollständig in ein Joint Venture mit dem französischen Automobilzulieferer Valeo einbringen zu wollen. Maßgeblich betroffen von diesen unternehmensseitigen Plänen ist neben der BU-Zentrale in Erlangen der Standort Bad Neustadt.

Kritische Einschätzung des Betriebsrates in Bad Neustadt

In einer spontan organisierten Veranstaltung vor dem Tor informierte der Betriebsrat die Beschäftigten über seine vorläufige Einschätzung der Unternehmenspläne. Zwar seien die konkreten Auswirkungen des geplanten Joint Venture auf die betroffenen Standorte und Arbeitsplätze in Deutschland noch nicht eindeutig absehbar. Speziell für den Standort, der aktuell bereits durch die Abbau- und Verlagerungspläne im Bereich der Großelektromotoren (LD) und der Antriebssteuerung (MC), von der Unternehmensseite massiv in Bedrängnis gebracht wird, verschärft sich jedoch die Frage nach einer mittel- bis langfristigen Zukunftsperspektive  nun noch mehr. Oliver Mauer, Betriebsratsvorsitzender am Standort, dazu in einer ersten Stellungnahme: „Nach dem angekündigten Personalabbau in den Bereichen Motion Control und Large Drives, kommt nun auch eine ungewisse Zukunft im Bereich e-Car dazu!“ Ca. 130 Beschäftigte arbeiten momentan in Bad Neustadt in diesem Geschäftsbereich, in ganz Deutschland sind es ca. 370 Siemens-Beschäftigte.

Findet zukünftig Serienproduktion für eCar in Deutschland statt?

Die Befürchtungen des Betriebsrates kommen nicht von ungefähr. Zwar soll die zukünftige Zentrale des Gemeinschaftsunternehmens in Erlangen und damit in Deutschland angesiedelt werden, wo bereits heute das BU-Headquarter von eCar beheimatet ist. Doch mit der Ankündigung, durch das Joint Venture „maßgebliche Synergieeffekte in der Produktion und Beschaffung“ erzielen und das neue Gemeinschaftsunternehmen „global ausgerichtet und kosteneffizient regional positionieren“ zu wollen, wächst speziell an den deutschen Fertigungsstandorten von eCar auch die Skepsis, in welchem Umfang zukünftig überhaupt eine nennenswerte Serienproduktion von Antriebssystemen und -komponenten für Hybrid- und Elektrofahrzeuge in Deutschland stattfinden soll.

Damit eng verknüpft stellt sich vielen die Frage, was Siemens mittel- bis langfristig überhaupt im Bereich der Elektromobilität vorhat. Zwar wurde für die betroffenen eCar-Beschäftigten unternehmensseitig eine dreijährige Standortgarantie angekündigt. Allerdings verbinden viele Siemens-Beschäftigte mit „Joint Venture“ eher einen „Einstieg in den Ausstieg“ ihres Unternehmens aus einem Geschäftsfeld und denken dabei an Themen wie NSN, MHI und BSH.

Standort Bad Neustadt durch Arbeitgeberpläne massiv gefährdet

Der Betriebsrat in Bad Neustadt und die örtlich zuständige IG Metall-Geschäftsstelle hatten bereits im Rahmen der letzten Betriebsversammlung die Befürchtung geäußert, dass die tatsächlichen Auswirkungen der Arbeitgeberpläne für den Standort mittelfristig wesentlich umfassender sein werden, als bislang offiziell von Unternehmensseite verkündet. Anstatt der bislang angekündigten 370 Arbeitsplätze im LD-Bereich könnten so in den nächsten fünf Jahren bis zu 905 Arbeitsplätze auf der Kippe stehen. Damit wäre der Standort nach Einschätzung der Arbeitnehmervertreter insgesamt gefährdet, auch wenn der Siemens-Vorstand dies bislang vehement bestreitet - ohne allerdings diesen Befürchtungen mit konkreten Zahlen und Fakten wirksam zu entgegnen.

Siemens in der Bringschuld gegenüber Beschäftigten bei LD, MC, eCar

Aus Sicht der IG Metall Bayern ist Siemens gegenüber seinen Beschäftigten in der Bringschuld, ein tragfähiges Produktionskonzept für die aktuell von den Abbau- und Verlagerungsplänen betroffenen Standorte in Deutschland zu entwickeln. Das betrifft aktuell insbesondere die bayerischen Standorte Bad Neustadt, Ruhstorf, Nürnberg und Erlangen. Die Unternehmensleitung ist gefordert, zukunftsfähige Produkte an die Standorte zu holen und gemeinsam mit den Betriebsräten und Beschäftigten an Möglichkeiten weiterer Verbesserungen an den Standorten und in den Geschäftsfeldern zu arbeiten.

Chancen von Elektromobilität für Deutschland nutzen

E-Car stellt dabei ein wichtiges und zukunftsweisendes Geschäftsfeld dar, denn gerade der Standort Deutschland hat das Potential, als Referenzmarkt eine globale Vorreiterrolle im Bereich Elektromobilität einzunehmen. Gefragt sind dafür jedoch ein langer Atem sowie die enge Verknüpfung von hochwertigen Entwicklungs-, Fertigungs- und Servicekompetenzen für eine hochleistungsfähige Serienfertigung. Durch eine Intensivierung ihres industriepolitischen Engagements könnten dabei auch Bund und Länder ihren Beitrag dafür leisten, um einen nachhaltigen industriellen Wandel mit den Beschäftigten zu fördern.