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04.10.2024, 09:10 Uhr

Grenzen durch Staat und Gewerkschaften

  • 20.06.2011
  • Allgemein

Der Direktor des unabhängigen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) äußerte sich im Interview zu den Sorgen vor ungezügeltem Kapitalismus, der Bedeutung von Staat und Gewerkschaften und der drohenden Spaltung der Gesellschaft.

Prof. G. Wagner (Foto: DIW)

Der <link http: www.diw.de de diw_01.c.100293.de ueber_uns ueber_uns.html _blank external-link-new-window diw>undefinedDIW-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Gert G.Wagner erklärt gegenüber der "<link http: www.sueddeutsche.de karriere zukunft-der-arbeit-die-macht-der-unternehmen-wird-zu-gross-1.1108107 _blank external-link-new-window sz>undefinedSüddeutschen Zeitung" das Risiko ungebremsten Gewinnstrebens: "Geht es einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer, kann das nicht von Dauer sein."

Gewerkschaften als Gegengewicht

Die bereits im 19. Jahrhundert enstandene Erkenntnis der Nachteile des sogenannten "Manchester-Kapitalismus'" gelten nach seiner Überzeugung noch heute. Setzt ein Wirtschaftssystem nur auf die ungezügelte Entfaltung der Unternehmen, der Traum neoliberaler Ideeen, kann demnach nicht auf Dauer funktionieren: "Die Marktmacht einzelner Unternehmen wird dann einfach zu groß. Ohne dass der Staat und Gewerkschaften Grenzen setzen, könnten auf längere Sicht wieder ähnliche Zustände ausbrechen wie in Manchester." Um die ungleiche Machtverteilung zwischen Unternehmen und Beschäftigten auszugleichen, sieht er vor allem bei letzteren eine wichtige Rolle, "denn sie kennen die Nöte der Beschäftigten viel besser als der Staat".

Spaltung durch ungleiche Bildungschancen

Befürchtungen über eine Rückkehr des "Manchester-Kapitalismus" teilt Wagner grundsätzlich nicht, warnt aber vor entsprechenden Tendenzen: "Es gibt einen Teil der Gesellschaft, der immer mehr vom allgemeinen Wohlstand abkoppelt ist." Als Beispiel führt er den unproportional starken Anstieg von Arbeitslosigkeit bei Menschen ohne qualifizierenden Bildungsabschluss an; hier sieht er den Staat gefordert, um bessere Chancen "im bildungsfernen Milieu" zu schaffen: "Das wird sich im Übrigen letztlich für alle rechnen, denn es kann verhindern, dass jahrelang Sozialtransfers gezahlt werden müssen, wenn Menschen ohne Abschluss in die Langzeitarbeitslosigkeit abrutschen. Und es hilft, die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden."

Illusorischer Individualismus

Abschließend äußert sich Wagner zum Glauben vieler abhängig Beschäftigter, ihre Interessen einzeln besser vertreten zu können als im Rahmen einer Gewerkschaft: "Das ist eine Illusion. Die Lohnentwicklung der vergangenen Jahre zeigt das sehr deutlich: Die vermeintliche individuelle Freiheit hat dazu geführt, dass für viele Beschäftigte in Deutschland die Reallöhne gesunken sind."