Der erste IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber hat vor dem Wochenende des ersten Mai Stellung zur Wirtschaftskrise und möglichen Gegenmaßnahmen genommen. Trotz des Widerstands der Wirtschaftsinstitute hält er unter anderem ein drittes Konjunkturprogramm für notwendig, um drohender Massenarbeitslosigkeit zu begegnen und fordert einen neuen Lastenausgleich.
Im Interview mit der "<link http: www.zeit.de online huber-sozialausgleich _blank external-link-new-window>Zeit" erklärte Huber (Foto) am Tag vor dem ersten Mai, wenn Betriebe Massenentlassungen ankündigten, werde die IG Metall zu Protesten und Demonstrationen auffordern: "Das ist doch klar." Es gehe jedoch gerade deshalb jetzt darum, zu vermeiden, dass es so weit komme: "Massenentlassungen sind doch kein Naturereignis. Selbst wenn die Wirtschaft
schrumpft, sind sie nicht unausweichlich."
Als Mittel dazu nannte er die bereits für Millionen Beschäftigte greifende Kurzarbeit, von der Chef der Bundesagentur für Arbeit bei Vorstellung der aktuellen Arbeitslosenzahlen soeben erklärt hatte, sie stabilisiere derzeit den Arbeitsmarkt und verhindere Schlimmeres. Daneben sieht Huber jedoch "viele andere Möglichkeiten, sich im Betrieb über Arbeitszeitverkürzungen und Ähnliches zu verständigen und betonte die Wirkung von Konjunkturprogrammen.
"Man kann etwas tun, und man muss etwas tun"
Für die politische Entscheidung, derzeit kein drittes Konjunkturprogramm auf den Weg zu bringen, zeigt Huber konsequenterweise kein Verständnis: "Einige meinen, dass man jetzt noch nicht klar genug erkennen kann, wie die wirtschaftliche Lage ist und wie stark die bisherigen Konjunkturpakete wirken. Das erste ist ja im Januar ausgeschrieben worden, das zweite erst im März. Die Prognosen sind heute noch viel düsterer, und da frage ich mich, warum man nicht mehr tun will."
Auch die ablehnende Haltung etlicher Wirtschaftsforschungsinstitute beeindruckt ihn nicht: "Wir Gewerkschaften sind näher dran an den Betrieben." Aus Sicht der IG Metall geht es darum, ob man tatenlos zusehen wolle, wie die
Wirtschaft abstürzt. Beispiele wie die auf einen Vorschlag der IG Metall zurückgehende Umweltprämie und die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes zeigen: "man kann etwas tun, und man muss etwas tun."
Massenarbeitslosigkeit teurer als finanzielle Entlastung
Läuft die stabilisierende Wirkung der Kurzarbeit trotz der nunmehr für 24 Monate vorgesehenen Verlängerung aus, befürchtet Huber ab dem Sommer zunehmende Entlassungen. Gerade deshalb drängt er darauf, die Unternehmen mit weiteren Maßnahmen zu entlasten - trotz der damit verbundenen Kosten, denn: "Die Alternative wäre Massenarbeitslosigkeit. Das ist doch viel teurer."
Wirtschaftsinstitute: "Da lacht ja die Menschheit"
Mit Blick auf die kaum zu bestreitenden strukturellen Probleme etwa der Automobilindustrie räumt er ohne Umschweife ein, dass längerfristig Veränderungen erforderlich sind. Das aber ändert nichts am akuten Bedarf, Massenarbeitslosigkeit zu vermeiden: "Wir kaufen uns Zeit. Zeit, die genutzt werden kann, um neue Modelle und Innovationen zu entwickeln." Die Kritik der Wirtschaftsforschung etwa an der Umweltprämie nimmt er vor diesem Hintergrund nicht sehr ernst: "Da lacht ja die Menschheit. Die haben im Dezember vorausgesagt, dass die Ökoprämie ein Flop ist, worauf ich gesagt habe: Wird es ein Flop, kostet es nichts. Ganz ehrlich, viel Respekt habe ich vor diesen Instituten nicht."
Lastenausgleich durch Vermögende
Abschließend schlägt der IG Metall-Chef ein Finanzierungmodell für die staatlichen Eingriffe vor: einen "neuen Lastenausgleich". Für vorstellbar hält er in diesem Zusammenhang die Verpflichtung für Besitzer von Vermögen ab 750.000 Euro, eine Staatsanleihe über 15 Jahre zum jeweiligen Zinssatz der Europäischen Zentralbank zu kaufen - kontroverse Diskussionen vorprogrammiert.