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24.04.2024, 03:04 Uhr

Leiharbeit: Der Kampf geht weiter

  • 21.06.2010
  • Allgemein

Bei Siemens setzten Gesamtbetriebsrat und IG Metall vor einem Jahr eine Vereinbarung zur Leiharbeit durch, die Missbrauch und Ausbeutung verhindert. In den meisten Unternehmen gibt es so etwas aber nach wie vor nicht. Bei einer Veranstaltung in Berlin bekräftigte der zweite IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel daher erneut: Deutschland muss endlich die entsprechenden EU-Vorgaben umsetzen.

Leiharbeit in der EU (zum Vergrößern anklicken<br>Quelle: Arrowsmith 2008 / © Hans-Böckler-Stiftung)

Verantwortung nicht auf Sozialpartner abwälzen

"Die Bundesregierung darf die Verantwortung nicht nur auf die Sozialpartner abwälzen, sondern muss endlich selbst handeln. Notwendig sind gesetzliche Rahmenbedingungen, die die Verleihdauer einschränken, faire Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung sicherstellen", sagte Wetzel vergangenen Donnerstag auf einer Tagung mit Betriebsräten und Vertretern aus Politik und Wissenschaft.

Weiter Instrument für Lohndumping

Der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgelegte Entwurf zur Neufassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes greift dabei deutlich zu kurz - zumal er ungeniert hinter den Vorgaben zurückbleibt, die die Leiharbeitsrichtlinie der Europäischen Union festlegt. Wetzels Fazit: "Auch künftig können Stammbeschäftigte durch billigere Leiharbeitnehmer ersetzt werden. Leiharbeit bleibt weiter ein Instrument für Lohndumping."

Hinter dieser Hinhaltetaktik stehen, wie sollte es anders sein, die Interessen der Leiharbeitslobby. In ihrem Sinne verstößt Deutschland weiter gegen den Grundsatz "Gleiche Arbeit - Gleiches Geld", indem die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht hinausgeschoben wird. Im Gegensatz zum deutschen AÜG in seiner derzeitigen Form sieht sie etwa vor, dass Leiharbeitnehmer nur vorübergehend eingesetzt werden dürfen - sowohl nach dem gesunden Menschenverstand, als auch nach juristischen Gutachten zur EU-Richtlinie ist das definitiv nicht der Fall, wenn eine mehrjährige Arbeitnehmerüberlassung vorliegt.

Schwenk in der Argumentation

Eine neue Qualität bekommt die Auseinandersetzung durch jüngste Äußerungen aus dem Arbeitgeberlager. Dort begründete man den Einsatz von Leiharbeit bislang konsequent mit dem Faktor "Flexibilität"; angesichts des sich jetzt abzeichnenden erneuten Booms der Leiharbeit räumt beispielsweise Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser in Interviews plötzlich unverblümt ein, dass sie auch der Kostensenkung dienen soll. Die Unternehmen beabsichtigen offenbar, über eine Billiglohn-Tariflinie parallel zum Flächentarifvertrag kurzfristig Personalkosten einzusparen und langfristig Druck auf Festangestellte zu erzeugen.

Ruschbahn statt Sprungbrett

Auch der früher stets vorgeschobene Hinweis auf die angebliche Sprungbrettfunktion in reguläre Beschäftigungsverhältnisse ist unversehens ins Wanken geraten - kein Wunder, denn Leiharbeit hat sich spätestens in der Krise eher als Rutschbahn in die Arbeitslosigkeit erwiesen. Über 250.000 Leiharbeiter wurden praktisch von heute auf morgen entlassen, kritisiert Wetzel: "Man muss sie ja nicht mal persönlich entlassen. Man muss nur anrufen und sagen, dass sie nicht mehr kommen müssen!"

AÜG-Entwurf greift zu kurz

Diese Verhältnissen wird auch der Entwurf zur Neufassung des AÜG nicht ausreichend ändern, den Arbeitsministerin Ursula von der Leyen unter dem mit dem Fall Schlecker entstandenen Druck nun vorgelegt hat.  Er soll zwar den sogenannten Drehtüreffekt verhindern und einen branchenweiten Mindestlohn einführen, zumal zum 1. Mai 2011 innerhalb der EU die volle Arbeitnehmer-Freizügigkeit gilt und ohne Mindestlohn ausländische Unternehmen folglich Leiharbeiter zu noch niedrigeren Konditionen in Deutschland einsetzen könnten.  Die per EU-Richtlinie definierten Standards allerdings unterschreitet auch diese Fassung.

Appell an Politik, Betroffene und Gesellschaft

Die IG Metall und ihre Betriebsräte sind sich daher einig, dass das Problem nur gemeinsam zu bewältigen ist. Sie appellieren an die Politik, die EU-Richtlinie entsprechend ausgestaltet umzusetzen; die Leiharbeiter fordern sie auf, sich gewerkschaftlich zu organisieren und die Anstengungen so zu unterstützen; zu guter Letzt sind alle gesellschaftlichen Akteure aufgefordert, sich für Gerechtigkeit in dieser Frage einzusetzen - so, wie es die Initiative "<link http: www.gleichearbeit-gleichesgeld.de _blank external-link-new-window>undefinedGleiche Arbeit - Gleiches Geld" vormacht.