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29.03.2024, 09:03 Uhr

Leiharbeit vernichtet reguläre Beschäftigung

  • 29.09.2010
  • Allgemein

Die IG Metall hat zu Wochenbeginn die Ergebnisse einer Umfrage zur Leiharbeit veröffentlicht. Das Bild aus über 5.100 Betrieben ist alarmierend: Mit dem Aufschwung boomt die unsichere Beschäftigung, während reguläre Arbeitsplätze immer stärker unter Druck geraten.

Stand vor der Krise überholt

Auch aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit belegen diesen Trend: Mehr als jede dritte neue Stelle in den Betrieben sollte im Monat Juni 2010 imt einem Leiharbeiter besetzt werden. Im Juli 2010 waren nach Angaben des IWZeitarbeitsindex bereits 826.000 Beschäftigte bei Leiharbeitsunternehmen angestellt - mehr als vor der Krise also.

Diese Zahlen widerlegen die gängige Schutzbehauptung, Leiharbeit werde nur zum Abfedern von Auftragsspitzen genutzt. In der Praxis dient sie offenbar zunehmend als strategisches Instrument zur Etablierung einer neuen Billiglohnlinie eingesetzt. Dieser Missbrauch nimmt rasant zu, wobei zwangsläufig Stammarbeitsplätze durch Leiharbeit ersetzt werden.

Viele neue Stellen, aber kaum reguläre

Die Umfrage der IG Metall unter Betriebsräten aus mehr als 5.100 Betrieben der Metall- und Elektorindustrie bestätigt dieses Bild nachhaltig. Den Ergebnissen zufolge besetzen 23 Prozent der Betriebe mindestens 10 und bis zu 50 Prozent ihrer gesamten Arbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern. 85 Prozent der Betriebe brauchen zusätzliche Arbeitskräfte, aber nur eine Minderheit von 15 Prozent deckt diesen Bedarf mit unbefristete Stellen. Im Gegenzug setzen 43 Prozent auf Leiharbeit, weitere 42 Prozent auf befristete Einstellungen. Das Fazit: Unbefristete Einstellungen sind die Ausnahme, die Arbeitgeber setzen statt dessen verstärkt auf prekäre Beschäftigung.

Es geht auch anders!

Immerhin 34 Prozent der befragten Betriebe kommen ohne Leiharbeit aus und zeigen damit, dass es auch anders geht - mit einer verantwortungsvollen Personalpolitik lässt sich erfolgreich wirtschaften. Die Anstrengungen von IG Metall, Betriebsräten und verantwortungsbewussten Unternehmern tragen maßgeblich dazu bei. Die Alternative zeigt, wie dringlich diese Anstrengungen sind: Über 20 Prozent der Betriebe ersetzen bereits Stammbeschäftigung durch Leiharbeit, in Betrieben mit 1.000 bis 2.000 Beschäftigten sogar 27 Prozent. wird dieser Trend nicht gestoppt, droht das Aus für hunderttausende reguläre Arbeitsplätze.

Regierung verteilt politische Trostpflaster

Das politische Trostpflaster der Bundesregierung ist nicht geeignet, diese Bedrohung abzuwenden. Statt dem Missbrauch der Leiharbeit einen wirksamen Riegel vorzuschieben, öffnet der kürzlich vorgestellte Gesetzesentwurf von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen die Schleusen weiter. Weder ist eine Höchstüberlassungsdauer vorgesehen, noch ein Verbot der Synchronisation - von Bestimmungen für die gleiche Bezahlung von Leih- und Stammbeschäftigten ganz zu schweigen. Zwar konnten IG Metall und Betriebsräte über 500 betriebliche Vereinbarungen abschließen, mit denen die Situation der Leiharbeitnehmer verbessert wird - wie etwa bei Siemens. Um die Leiharbeit jedoch flächendeckend sozial zu gestalten und einzudämmen, ist ein entsprechender politischer Rahmen nötig.

IG Metall fordert Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes

Die IG Metall geht davon aus, dass der aktuelle Gesetzentwurf einer Überprüfung des Europäischen Gerichtshofes nicht standhält. Sie fordert von der Bundesregierung eine Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes mit folgenden Kernpunkten:
+ gleiche Bezahlung von Stammbeschäftigten und Leiharbeitnehmern
+ kein dauerhafter, strategischer Einsatz von Leiharbeit
+ Einführung einer Höchstüberlassungsdauer
+ Wiedereinführung des Synchronisationsverbots
+ Stärkung der Rechte des Entleiherbetriebsrates

Spiel mit dem Feuer

Die Arbeitgeber fordert die IG Metall eindringlich auf, den Einsatz von Leiharbeit auf ihren eigentlichen Zweck – die Abarbeitung von Auftragsspitzen – zu begrenzen. Wer auf Lohndumping durch ihren Missbrauch setzt, spielt mit dem System flexibler Tarifverträge, wie der zweite IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel bei Vorstellung der Umfrage betonte: "Massenhafte Leiharbeit und flexible Tarifverträge, beides zugleich ist mit der IG Metall nicht zu machen."