Siemens Dialog
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25.04.2024, 03:04 Uhr

Leiharbeiter: Nicht alles in trockenen Tüchern

  • 25.01.2011
  • Allgemein

Die Nachricht tauchte zum vergangenen Wochenende auf: Siemens wolle zum Februar 2.500 LeiharbeitnehmerInnen in feste Beschäftigungsverhältnisse übernehmen, um der im Sommer 2009 mit Gesamtbetriebsrat und IG Metall getroffenen Vereinbarung nachzukommen. Die Nachricht ist unstrittig begrüßenswert - Unklarheiten gibt es aber bei den damit verbundenen Zahlen.

Am 21. Januar berichtete die "<link http: www.faz.net s rubec1acfe1ee274c81bcd3621ef555c83c _blank external-link-new-window faz.net>undefinedFrankfurter Allgemeine Zeitung", Siemens werde Anfang Februar "rund 2500 Zeitarbeitern einen festen Arbeitsplatz anbieten" und komme damit der Übereinkunft nach, die im Sommer 2009 mit dem Gesamtbetriebsrat sowie der Industriegewerkschaft Metall getroffen wurde (siehe Gesamtbetriebsvereinbarung regelt Leiharbeit).

Siemens in der sozialen Verantwortung

"Hier steht Siemens in der sozialen Verantwortung und wir werden sehen, ob das klappt", zitierte die FAZ dazu den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Lothar Adler; ein Unternehmenssprecher wollte zu diesem Zeitpunkt keine Einzelheiten zu der Meldung erläutern. "Aus dem Konzern" allerdings erfuhr die FAZ nach eigenen Angaben, die Größenordung von rund 2.500 LeiharbeitnehmerInnen stimme.

Verantwortung "in vorbildlicher Weise gerecht" geworden?

Am Montag darauf teilte Siemens selbst dann in einer <link http: www.siemens.com press de pressemitteilungen _blank external-link-new-window siemens.de>undefinedPressemitteilung zum selben Thema mit, man habe "in den vergangenen fünfzehn Monaten mehr als 1.300 Zeitarbeitnehmer in ein Beschäftigungsverhältnis übernommen"; außerdem seien die "anstehenden Übernahmefälle in den nächsten drei Monaten bereits weitgehend gelöst". Personalvorstand Brigitte Ederer bezeichnete die mit der Arbeitnehmerseite verabredeten "Lösungen für eine Vielzahl von Zeitarbeitnehmern" als Beleg für vertrauensvolles Zusammenwirken und bekräftigte: "Der von uns eingegangenen Verpflichtung sind wir nachgekommen." Hinzu kam, ganz im Sinne der Regel "tue Gutes und rede darüber, ein vollmundiger Hinweis: "Damit wird Siemens der Verantwortung auch gegenüber den Zeitarbeitnehmern in vorbildlicher Weise gerecht."

Nicht die ganze Wahrheit

Was sich anhört, als löse sich das Thema Leiharbeit bei Siemens in allgemeine Harmonie auf, stellt sich aus Sicht des Gesamtbetriebsrats etwas anders dar. Wegen zahlreicher Anfragen im Zusammenhang mit den Pressemeldungen fasste er diese Sicht daher noch am selben Tag in einem Rundschreiben an die Betriebsräte zusammen.

Die Zahlen von 1.300 oder gar 2.500 übernommenen Leiharbeitern kann das Gremium demnach so nicht bestätigen. Statt dessen war mit Stand November 2010 die Rede von etwa 1.700 im Februar zur Übernahme anstehenden Leiharbeitern, von denen Siemens jedoch nur rund 600 im Februar zu übernehmen plante. Nach gegenüber dem Gesamtbetriebsrat kommunizierten Schätzungen sind zudem bis zum 24. Januar zirka 800 LeiharbeitnehmerInnen aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung befristet oder unbefristet übernommen worden. Das könnte man rechnerisch zwar mit rund 1.400 in die Nähe der offiziellen 1.300 zusammenaddieren; 1.100 Betroffene allerdings werden damit nicht erfasst.

Noch keine Entwarnung angesagt

Vor diesem Hintergrund betont der Gesamtbetriebsrat, dass die der Presse vorliegende Zahl von 2.500 sich nicht mit der deckt, die ihm mitgeteilt wurde. Gleichzeitig kritisiert er, dass die Pressemeldung "in keiner Weise die betriebliche Auseinandersetzung um die Durchsetzung der Gesamtbetriebsvereinbarung" wiedergibt. In der Konsequenz appelliert er daher an die örtlichen Interessenvertreter, ihre Anstrengungen für die Umsetzung der der Gesamtbetriebsvereinbarung bei der Bezahlung und der unbefristeten Übernahme von Leiharbeitern fortzusetzen.

Gesetzliche Regelung mehr als überfällig

Unter dem Strich macht der Vorgang deutlich, dass trotz zahlreicher Verbesserungen durch die Bemühungen von IG Metall und Betriebsräten bei Siemens und vielen anderen Unternehmen in Sachen Leiharbeit noch lange nicht alles in trockenen Tüchern ist. Variierende Einzellösungen sind zwar zweifelsohne besser als ungehemmter Missbrauch, und jeder gleich bezahlte beziehungsweise fest übernommene Leiharbeiter ist unbestreitbar ein Erfolg.

Eine konsequent gerechte und flächendeckende Lösung jedoch gibt es nur, wenn endlich längst überfällige gesetzliche Regelungen wirksame Mechanismen zur Begrenzung der von Leiharbeit einführen und die Betroffenen von Beginn an mit ihren regulär beschäftigten KollegInnen gleichstellen - so, wie es die IG Metall seit langem fordert und gemeinsam mit den ArbeitnehmerInnen in den Betrieben am 24. Februar im Rahmen eines Aktionstags erneut thematisiert.