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29.03.2024, 02:03 Uhr

Mdexx: Eigenwilliger Wahrheitsbegriff

  • 28.09.2011
  • Konzern

Vor drei Jahren begann ein harter Konflikt bei der damaligen Siemens-Tochter mdexx in Bremen. Schnell folgte der Verkauf an einen Investor, der sofort das Gesundschrumpfen begann. Seitdem geht es rund - mit Stellenabbau, Arbeitskampf, Einigungsansätzen, Verlagerung und wirren Umzugsplänen. Jetzt kommt noch schwer nachvollziehbares Justizgebaren hinzu.

Versprochen und gebrochen

Im November 2009 ging es bei mdexx um Kündigungen, die das Management, wohl auf Geheiß des Schweizer Investors <link http: www.cgs-management.com portfolio.htm _blank external-link-new-window cgs>undefinedCGS, aussprechen wollte. Bei einem Gerichtstermin am 24.11.2009 suchten die Parteien einen Vergleich. Dabei versicherte der Firmenanwalt vor der Richterin und rund 50 Zuschauern, man werde bis zum Mittag des 25. November keine Kündigungen aussprechen. Interessantes Detail: Auch der noch aus Siemens-Zeiten stammende Geschäftsführer war anwesend.

Noch in der selben Nacht wurden entgegen dieser Versicherung Kündigungen zugestellt, was die Fronten weiter verhärtete. Der betreffende Unternehmensanwalt versicherte dazu im Juli 2010 eidesstattlich, niemals eine solche Zusage gemacht zu haben. Der Arbeitnehmeranwalt versicherte das Gegenteil und erstattete später wegen Falschaussage Strafanzeige gegen seinen Amtskollegen.

Kein öffentliches Interesse an Strafverfolgung?

Was aus Sicht des juristischen Laien recht unkompliziert scheint, stellt sich allerdings - wie so oft - dem Experten offenbar ganz anders dar. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls teilte neun Monate später mit, sie habe das Verfahren eingestellt: Zum einen sei der Beschuldigte "bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten", zum anderen habe die umstrittene Zusage für die bei diesem Gerichtstermin verhandelte Unterlassungsverfügung ohnehin keine Rolle gespielt. Öffentliches Interesse an Strafverfolgung bestehe daher nicht.

"Lügen zahlen sich aus"

Die unerwartete Entscheidung sorgte bei den Beschäftigten für Unverständnis und Entrüstung. Der Betriebsrat verfasste eine entsprechende Stellungnahme: "In unserer Gesellschaft ist es zur traurigen Wahrheit geworden, Lügen haben keine kurzen Beine, sondern Lügen zahlen sich aus. Zumindest bleiben sie folgenlos." Dass ein Rechtsanwalt ungeschoren damit davonkommt, vor Gericht einen eigenwilligen Wahrheitsbegriff zu demonstrieren, erschüttert bei vielen das Vertrauen in die Rechtssicherheit.

Bitteres Fazit

Verstärkt wird dies noch durch die Tatsache, dass man selbst, beispielweise im Zusammenhang mit unangemeldeten Protesten, deutlich härtere Erfahrungen mit der Justiz gemacht hat. Das bittere Fazit der Stellungnahme lautet: "Der Rechtsstaat ist eine wichtige Errungenschaft. Rechtsstaat sollte auch mit Gerechtigkeit zu tun haben. Vor dem Gesetz sollten alle Menschen gleich sein. War das nicht so?!"