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29.03.2024, 12:03 Uhr

"Mehr junge Daniel Düsentriebs"

  • 27.09.2010
  • Allgemein

... statt aufwändiger Suche nach Fachkräften wünscht sich Siemens-CEO Peter Löscher für das Unternehmen. In einem Interview, das er und der erste IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber zusammen gaben, treten in dieser und anderen Fragen Gemeinsamkeiten zu Tage. Differenzen bestehen hingegen bei politischen Grundsatzfragen wie der Rente mit 67.

Berhold Huber und Peter Löscher

Das Interview mit der "Welt am Sonntag" (<link http: www.welt.de wirtschaft article9862821 firmen-wollen-aussenseiter-arbeitstauglich-machen.html _blank external-link-new-window wams>Zusammenfassung bei "Welt Online") gaben der Vorstandsvorsitzende und der stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzende gemeinsam aus Anlass der erneuerten Standort- und Beschäftigungssicherung.

Signalwirkung für andere Unternehmen

Diese bewerten beide als wichtiges Signal, so Huber: "Wir können doch solch gute Nachrichten nicht verschweigen, nur weil es bei anderen Fragen Kontroversen gibt." Dass die neue Vereinbarung im Gegensatz zu ähnlichen Abkommen in anderen Großunternehmen unbefristet ist, betrachtet der IG Metall-Vorsitzende als richtungsweisend: "Das ist eine neue Qualität. Wir werden natürlich versuchen, so etwas auch in anderen Unternehmen durchzusetzen."

Klare Perspektiven ...

Von einem "Beamtenstatus", den manche offenbar unbedingt in den Beschäftigungspakt hinein-interpretieren wollen (siehe Abgesichert, aber nicht verbeamtet), wollen beide dennoch nicht reden. Statt dessen geht es um einen wesentlichen Grundsatz, erklärt Huber: "Nur wenn man Menschen nicht permanent bedroht, sondern ihnen eine klare und gesicherte Perspektive gibt, werden sie produktiv und innovativ. Das ist eine Grundüberzeugung, die ich mit Herrn Löscher teile."

... mit größtmöglicher Sicherheit

Statt eines "Beamtenstatus" geht es in diesem Sinne um größtmögliche Sicherheit für die Beschäftigten. Das gilt auch für Bereiche, in denen die wirtschaftliche Situation kritisch ist. Huber beantwortet in diesem Zusammenhang auch die häufig gestellt Frage nach Siemens IT Solutions and Services: "Wir haben SIS nicht vergessen. Hier gilt eine eigenständige Vereinbarung mit einem dreijährigen Ausschluss von Kündigungen." Auch als Arbeitnehmervertreter müsse er den massiven Umsatzrückgang berücksichtigen: "Deshalb tragen IG Metall und Betriebsrat hier einen sozialverträglichen Umbau mit. Ohne diese Maßnahmen wäre das ganze Unternehmen SIS gefährdet."

Kontroverse Bewertung der Rente mit 67

Kontrovers wird es im Gespräch um Antworten auf den Fachkräftemangel, als die Rede auf ältere Arbeitnehmer kommt - Stichwort Rente mit 67. Löscher hält es für "in sehr vielen Fällen richtig und notwendig", ältere Arbeitnehmer möglichst lange im Betrieb zu halten und bewertet die Rente mit 67 überzeugt als "aus Siemens-Sicht und sicher auch gesamtwirtschaftlich im Grundsatz" richtigen Ansatz. Huber stellt dazu seinerseits fest: "Ich sehe das anders." Er akzeptiert, "dass wir in einer älter werdenden Gesellschaft leben und Erfahrung in den Werken brauchen"; gleichzeitig weist er aber nachdrücklich darauf hin, "dass wir eine Gruppe von Menschen haben, die es heute nicht mal schafft, bis 65 zu arbeiten" und fordert eine entsprechende Reaktion der Politik: "Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt doch die Rente mit 67 ab. Das kann die Politik nicht ignorieren."

Leiharbeit: Übereifrige Manager zurückpfeifen

Auch die Leiharbeit, Kernthema der Gewerskchaftsaktivitäten in diesem Herbst, bleibt natürlich nicht unerwähnt. Löscher erklärt, sie sei wichtig bei Spitzenbelastungen, dürfe jedoch "natürlich nicht die Stammbelegschaft ersetzen". Huber kritisiert, dass "junge Menschen heutzutage jahrelang durch Leiharbeit, Befristungen und prekäre Arbeitsverhältnisse gehen müssen" und sieht auch hier die Politik gefordert. Speziell für Siemens weist er auf die geltende Leiharbeitsvereinbarung hin, für deren Umsetzung im kommenden Jahr eine Überprüfung ansteht: "Ich gehe davon aus, dass übereifrige Manager vor Ort zurückgepfiffen werden und dass Wort gehalten wird."

"Besser statt billiger" - auch bei Siemens

Einigkeit herrscht bei der Auffassung, dass im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit die Qualifizierung der Belegschaften von entscheidender Bedeutung ist. "Deutschland muss um so viel innovativer sein, wie es teurer ist", betont Löscher - was ihm eine ironische Frage der Journalisten einbringt: "Haben Sie jetzt Rollen getauscht? 'Besser statt billiger' ist doch eine wichtige Losung der IG Metall." Huber reagiert amüsiert: "Die kennt Herr Löscher doch gar nicht."


Das vollständige Interview mit Berthold Huber und Peter Löscher erschien am 26. September in der "Welt am Sonntag".