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23.04.2024, 16:04 Uhr

Nokia schlägt hohe Wellen

  • 21.01.2008
  • Allgemein

Der erste IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber hat gesetzliche Barrieren und mehr Mitbestimmungsrechte bei Unternehmen gefordert, die von Deutschland in Niedriglohnländer verlagern. Anlass sind Nokias Pläne, sein Bochumer Werk nach Rumänien und Ungarn zu verlagern. Der Widerstand gegen diese Entscheidung Nokias nimmt unterdessen rasant zu - ein déjà vu-Effekt auch für etliche Ex-Siemensianer.

Bitter sind die Vorgänge bei Nokia in Bochum zweifellos für alle Beschäftigten. Ganz besonders hart trifft es aber wohl diejenigen unter ihnen, die schon einmal in praktisch der selben Lage waren und Nokia als Ausweg fanden: Rund 30 der Bochumer Betroffenen waren früher bei BenQ im gut 50 Kilometer entfernten Kamp-Lintfort.

"Enormer Schaden" für die Gesellschaft

"In Deutschland können Unternehmen viel zu einfach Standorte schließen und Menschen in die Arbeitslosigkeit entlassen. Solche Unternehmen fügen der Gesellschaft enormen Schaden zu, für den sie zur Verantwortung gezogen werden müssen", erklärte Huber (links) vergangenen Freitag in Frankfurt. Als Konsequenz fordert er eine Gesetzesinitiative, um Unternehmen an den gesellschaftlichen Kosten von Verlagerungen zu beteiligen.

Außerdem soll nach Ansicht der IG Metall der Möglichkeit, Verlagerungskosten als Betriebsausgaben steuerlich abzusetzen, ein Riegel vorgeschoben werden, so Huber: Solange die Schließung von Werken eine "finanzielle Bagatelle in den Budgets von Konzernen darstellt", werde sich an ihrer "rücksichtslosen Politik" nichts ändern.

Politik muss Untenehmen Grenzen setzen

Zusätzlich fordert Huber, die Mitbestimmungsrechte bei Verlagerungen zu erweitern; als Vorbild könnte das VW-Gesetz dienen, so dass Standortverlagerungen eine Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat zustimmen muss. Nach seiner Überzeugung muss die Politik "Konzernen überall dort, wo das Allgemeinwohl gefährdet ist, die Grenzen ihres Handelns aufzeigen."

Die gleiche Linie vertritt der DGB, dessen Vorstandsmitglied Dietmar Hexel am Freitag in Berlin erklärte, Betriebsschließungen, die ohne ökonomische und betriebswirtschaftliche Zwänge alleine der Gewinnmaximierung dienen, müssten durch den Ausbau der Mitbestimmung künftig verhindert werden: "Wir fordern, dass eine 2/3-Mehrheit in den Aufsichtsräten zustimmen muss, wenn Betriebe verlagert oder geschlossen werden sollen."

Entscheidung "nicht leicht gemacht"

Im aktuellen Fall Nokia kündigte Huber den Widerstand der IG Metall an: "Wir werden den Protest organisieren und sind uns der Solidarität der Menschen im ganzen Land sicher". Nokia will an seinen Plänen nicht rütteln lassen und weist Kritik mit dem Hinweis zurück, man habe sich "die Entscheidung nicht leicht gemacht und sie immer wieder überprüft." Eine Sprecherin erklärte, Nokia wolle nun mit dem Betriebsrat darüber reden, wie man den Beschäftigten in ihrer "sehr schweren Situation" helfen könne; gleichzeitig macht das Unternehmen nachdrücklich klar, dass es über Sozialpläne, nicht aber über eine Fortführung des Betriebs reden werde.

Der Druck auf das Unternehmen, zumindest eine offene Diskussion zu führen, steigt derweil weiter an. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ mitteilen, sie erwarte mehr Informationen zur geplanten Schließung des Bochumer Werks, das Vorgehen des Unternehmens werfe noch viele Fragen auf. NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) reagierte auf Nokias Ausschluss von Gesprächen über eine Fortführung mit dem Hinweis, sie erwarte noch viele Antworten von Nokia und werde sich nicht vorschreiben lassen, worüber sie rede: "Was ich frage, bestimme immer noch ich." Der Betriebsrat will vorerst ausschließlich über die Standortfrage sprechen, und nicht über Sozialpläne.

"Ätsch, Ihr habt verloren"

Hinsichtlich in der Vergangenheit an Nokia geflossener Subventionen griff Thoben die Unternehmensleitung ebenfalls an: "Wenn man ein halbes Jahr nach Auslaufen der Bindungsfrist für Subventionen sagt 'Ätsch, Ihr habt verloren', dann geht das so einfach nicht." Die Landesregierung schließt nicht aus, Nokia eine Verletzung von Auflagen nachweisen und Gelder zurückfordern zu können.

Betriebsrat und IG Metall bereiten sich unterdessen auf alle Möglichkeiten vor, planen aber derzeit noch keinen Streik. Sie wollen zuerst abwarten, ob Nokia sich doch noch zu Gesprächen über einen Standorterhalt bewegen lässt. Ist dies allerdings nicht der Fall, kann man schnell und hart reagieren: "Wir haben eine Belegschaft, die kampfbereit ist", erklärte die Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach. Sonderschichten am Wochenende lehnte der Betriebsrat als Signal an die Unternehmensführung bereits ab.

Großdemonstration mit Berthold Huber und Peer Steinbrück

Eine Großdemonstration wird diese Bereitschaft am Dienstag unterstreichen. Alle drei Schichten werden während dieser Aktion nicht arbeiten, zu der sich unter anderem solidarische Beschäftigte anderer Unternehmen aus Bochum sowie von Opel in Rüsselsheim angekündigt haben. Als Redner sind unter anderem Berthold Huber und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) angemeldet. Einzelheiten enthält der Aufruf der IG Metall NRW, der <link http: netkey40.igmetall.de homepages bezirksleitung-nrw hochgeladenedateien pdf soli-aufruf-nokia-22-01-08.pdf _blank>HIER auf ihrer Website oder direkt über obenstehenden Link (Aufruf-Nokia-22-01-08.pdf)heruntergeladen werden kann.

Übrigens: Auf einer eigens eingerichteten Website der nordrhein-westfälischen SPD "<link http: nonokia.nrwspd.de _blank>No, Nokia, so nicht!" kann man online gegen die Schließung protestieren. Jede Stimme zählt!