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25.04.2024, 07:04 Uhr

Ohne weiteres Konjunkturprogramm lang anhaltende Stagnation

  • 09.06.2009
  • Allgemein

Deutschland hat noch nicht genug getan, um zu verhindern, dass auf den dramatischen Abschwung in diesem Jahr ab 2010 eine hartnäckige wirtschaftliche Stagnationsphase folgt. Das konstatiert das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung in einer aktuellen Studie.

"Wir freuen uns über jeden Hoffnungsschimmer. Aber wir dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen: Die schlimmsten Auswirkungen der Krise, vor allem auf dem Arbeitsmarkt, sind noch gar nicht bei uns angekommen", sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der Wissenschaftliche Direktor des IMK. "Deshalb sollten wir uns weiter um die wirklich vordringlichen Themen kümmern: Es geht darum, Konjunktur und Beschäftigung effektiv zu stützen, nicht um Haushaltskonsolidierung und schon gar nicht um Steuersenkungen."

Drittes Konjunkturpaket kurzfristig nötig

Die Ökonomen haben eine wirtschaftspolitische Strategie für eine nachhaltige Erholung erarbeitet: Kurzfristig nötig sind ein drittes Konjunkturpaket, ein praktikables Konzept für Bad Banks, bei dem der Staat im Gegenzug für seine Hilfe Eigentumsrechte erhält, und eine befristete Verlängerung des Arbeitslosengeldes I, analysieren die Wissenschaftler. Die Gefahr einer Deflation ist nach Einschätzung des IMK weiterhin deutlich höher als das Risiko einer Inflation. In dieser Situation sei eine höhere Staatsverschuldung als Folge der Krisenbekämpfung "alternativlos, will man keine ökonomische und soziale Katastrophe riskieren", schreiben die Forscher in ihrer Untersuchung, die als <link http: www.boeckler.de pdf p_imk_report_38_2009.pdf _blank external-link-new-window>undefinedIMK Report veröffentlicht wurde.

Das IMK warnt davor, über dem notwendigen Krisenmanagement die Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise aus dem Blick zu verlieren: "Der Weg in die Krise war geprägt durch die teilweise dramatische Zunahme der ökonomischen Ungleichheit in vielen Ländern: Die hohen Einkommen legten zu, die mittleren und niedrigen erodierten. Das hat sich nicht nur als Gerechtigkeitsproblem erwiesen, sondern auch als ökonomisch schädlich", sagt Horn. "Deshalb müssen wir sehr aufpassen, dass sich dieser Effekt auf dem Weg aus der Krise nicht noch verschärft."

Die Forscher fordern u.a. eine weitere Stärkung der öffentlichen Investitionen Die Stabilisierungspolitik in Deutschland und in anderen Staaten habe bereits viel getan, um den Absturz der Wirtschaft zu stoppen, konstatiert das IMK. Mit den schon beschlossenen Konjunkturhilfen werde es wahrscheinlich gelingen, die Wirtschaft im kommenden Jahr "in Richtung Stagnation zu stabilisieren". Allerdings sei derzeit kein rasch folgender Aufschwung abzusehen.

In dieser Situation empfiehlt das IMK, die öffentlichen Investitionen noch einmal deutlich aufzustocken: 2010 um weitere 10 Milliarden Euro und 2011 um 15 Milliarden Euro. "Auf diese Weise werden langfristig ohnehin erforderliche Investitionen vorgezogen und mit kurzfristiger Stabilisierungspolitik verknüpft", schreiben die Ökonomen. Zudem könne ein zentrales Defizit der bisherigen Investitionspolitik - und auch der ersten  Konjunkturprogramme - behoben werden: Sie sehen lediglich Investitionen in Beton vor, nicht aber Investitionen in Köpfe - sprich: mehr Personal. Gerade im Bildungsbereich, aber auch in vielen sozialen Berufen wären Neueinstellungen erforderlich, um beispielsweise auf das Niveau der nordischen Länder zu kommen, analysiert das IMK

Ausweitung des Kinderbonus

Da die investiven Teile des Konjunkturpakets überwiegend erst im Laufe des kommenden Jahres wirken werden, schlägt das IMK als Ergänzung rasch wirkende Impulse für den privaten Konsum vor. Die Forscher halten eine Ausweitung des Kinderbonus´ für sinnvoll: Ab Juni dieses Jahres sollten Eltern ein halbes Jahr lang monatlich 200 Euro pro Kind erhalten. Dadurch werde ein konjunktureller Impuls von knapp 22 Milliarden Euro gesetzt.

Regeln zur Bankenrettung nachbessern

Das vom Kabinett verabschiedete Konzept zur Schaffung dezentraler Bad Banks reduziert die Risiken für Staat und Steuerzahler im Vergleich zu den ersten Entwürfen. Allerdings halten die IMK-Experten das Regierungsmodell in wesentlichen Punkten nicht für geeignet, Transparenz herzustellen. Besser wäre es gewesen, Banken dazu zu verpflichten, ihre riskanten Wertpapiere in Bad Banks auszulagern, um das Vertrauen auf den Finanzmärkten wiederherzustellen. Auch bei der finanziellen Absicherung der Risiken, die der Staat bei der Rekapitalisierung von Banken eingehen muss, sehen die Wissenschaftler Verbesserungsbedarf: