Siemens Dialog
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19.04.2024, 07:04 Uhr

Portfoliopolitik: Politik im Dienst der Börse

  • 20.04.2010
  • Allgemein

Die sogenannte aktive Portfoliopolitik ist häufig Ursache von Konflikten um die Beschäftigung. Aber nicht nur deshalb und auch nicht nur aus Arbeitnehmersicht ist eine gewisse Skepsis ihr gegenüber angebracht. Ein Gastbeitrag der Betriebsratsliste mitEINANDER im Stammhaus Erlangen G zu den Risiken und Nebenwirkungen.

Doris Kindermann,<br>Liste mitEINANDER Erlg G

Wer die eigenen Gewinne erhöhen will, hat neben den internen Optimierungsmaßnahmen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten
- im Einkauf die Preise drücken oder
- Unternehmensteile mit unterdurchschnittlichen Gewinnen verkaufen und Unternehmen mit überdurchschnittlichen Gewinnen zukaufen.
Unter dem Namen Portfoliopolitik hat die letzte Variante den Erfolg von General Electric viele Jahre lang mit geprägt; genauso wie sie den Niedergang der Aktienkurse dieses Unternehmensvon rd. 60,- € (2001) auf heute etwa 15,- € nicht verhindert oder mit verursacht hat.

Diese Art des Kaufen und Verkaufen kann sich des Beifalls der Börsen fast immer sicher sein. Ob sie auch für die interne Struktur und Prozesse des kaufenden Unternehmen auf Dauer die wirtschaftlich erfolgreichste Lösung ist, darf nicht nur mit Blick auf die Entwicklung von General Electric zu Recht bezweifelt werden. Nicht umsonst hat der Hauptbetreiber dieser Politik und frühere General-Electric-Chef, Jack Welch, die einseitige Ausrichtung seiner Geschäftspolitik am Kapitalmarkt im Nachhinein als Fehler bezeichnet.

Zukunft kaufen und verkaufen oder ...

Wer neue Marktchancen zu spät erkennt, hat drei Möglichkeiten das nachzuholen:
- eigene Kompetenz im Unternehmen aufbauen,
- mit anderen Unternehmen, die auf dem Gebiet schneller und erfolgreicher waren, kooperieren, oder
- solche Unternehmen aufkaufen.
Wer dabei im Wesentlichen auf die Reaktionen der Kapitalmärkte schielt, wird die letzte Variante bevorzugen. Vorausgesetzt er verfügt über das notwendige Kleingeld. Zur Not muss er dafür - am besten vorher - andere Konzernteile verkaufen. Das nennt man dann: Proaktive Portfoliopolitik. Das klingt gut, ist aber eigentlich nur der Versuch eigene Versäumnisse schön zu reden.

... eigene Kompetenzen entwickeln oder Kooperieren

Gut, jeder macht einmal Fehler. Aber muss man dann immer gleich Unternehmen aufkaufen? Man könnte es ja einmal mit einer der anderen Möglichkeiten versuchen: Ein organisches Zusammenwachsen sich gegenseitig ergänzender Partner hat auch seine Vorteile. Dazu müssen beim Partner nicht gleich die Regeln verändert, die Führung ausgetauscht und die Kultur auf den Kopf gestellt werden. Aus dem (Groß-)Anlagengeschäft wissen wir doch, wie eine Kooperation mit Partnern unterschiedlicher Interessen, unterschiedlicher Fachkompetenz, Erfahrung und Kulturen erfolgreich geführt wird.

Portfolio bereinigen:
Siemens auf dem Weg zur Holding

Portfoliobereinigen klingt wie Großsaubermachen, ist aber über weite Teile ein Programm zur Ausgliederung von Einheiten, die ihre siemens-internen (Dienst-)Leistungen - quer zur Organisationsstruktur - allen Sektoren anbieten. Alle brauchen diese Leistungen, aber weil jeder nur für seinen Teil verantwortlich ist, interessiert sich keiner für das Ganze. Auf diese Weise wandelt sich ein integrierter Technologiekonzern wie von selbst zur Holding.