Siemens Dialog
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24.04.2024, 00:04 Uhr

Protest auf dem Wittelsbacherplatz

  • 29.10.2009
  • Operativ

Bei mdexx in Bremen haben erste Sitzungen der Einigungsstelle zu Wochenbeginn keine Annäherung ergeben - die Firmenseite blockiert weiterhin jedes Zugeständnis für einen Kompromiss. Die frühere Siemens-Belegschaft entsandte daraufhin kurz entschlossen eine Delegation, die ihr Anliegen in einer spontanen Aktion der Siemens-Zentrale überbrachte.

Gut 50 mdexx-Beschäftigte überbrachten 326<br>Unterschriften ... (zum Vergößern anklicken)

... um nicht von Siemens hängengelassen zu werden.

In einer Pressemitteilung hatte die Bremer IG Metall zusammengefasst, was die Einigungsstelle am 27. und  28. Oktober erreicht hat: weder eine Einigung, noch ein konkretes Ergebnis. An beiden Tagen hatte jeweils morgens ein kurzer Warnstreik stattgefunden, bei dem sich die Ex-Siemensianer hinter ihre Interessenvertretung stellten.

Arbeitgeberseite weiter unnachgiebig

Die Arbeitgeberseite zeigte sich dennoch weiter unnachgiebig und war an keiner Stelle bereit, von ihren Verlagerungsplänen abzurücken. Diskussionen dazu wurden konsequent abgewürgt, Verhandlungsbereitschaft war nicht zu erkennen. Das Management hält daran fest, die Produktgruppen mit den höchsten Deckungsbeiträgen nach Tschechien zu verlagern und in Bremen nur die Bereiche mit den geringsten Deckungsbeiträgen zu erhalten.

"Der Zug rast auf den Abgrund zu"

Die drohende Folge liegt auf der Hand: Mdexx wird sich langfristig nicht aus eigener Kraft am Standort halten können. Die verfügbaren Mittel der Arbeitsmarktförderung zum Überbrücken der rückläufigen Auftragseingänge will die Arbeitgeberseite nicht nutzen. Betriebsbetreuer Peter Stutz von der Bremer IG Metall fasst zusammen, wie sich die Arbeitnehmervertreter angesichts dieser starren Haltung in der Einigungsstelle vorkommen: "Wie in einem Zug, der auf den Abgrund zurast und die Geschäftsführung beziehungsweise der Lokführer weigert sich, die Richtung zu ändern und steigert die Geschwindigkeit."

Entlassungen begrenzen, Siemens-Niveau beim Ausgleich

Die Betriebsratsseite versuchte daher, die Notbremse zu ziehen und ergriff mit einem neuen Vorstoß die Initiative. Oberstes Ziel ist die Begrenzung von Entlassungen, die verbleibenden Beschäftigten sollen für die nächsten Jahre einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen erhalten. Für diejenigen, deren Arbeitsplätze trotz allem den Fehlentscheidungen der Unternehmensleitung zum Opfer fallen, soll mindestens das bei Siemens gängige Niveau für Abfindungen und eine Transfergesellschaft gesichert werden. Auch auf diesen Vorschlag reagierte die Arbeitgeberseite nur minimal, so dass sich die Einigungsstelle auf den 17. November vertagte.

Spontane Aktion vor der Siemens-Zentrale

Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen und auch Siemens - immerhin bis vor einigen Monaten langjähriger Besitzer von mdexx - weiter in der Verantwortung zu halten, nahmen rund 50 mdexx-Beschäftigte in der Nacht auf Donnerstag die lange Busfahrt von Bremen nach München auf sich. Dort übergaben sie 326 einzelne Schreiben an den Arbeitsdirektor Siegfried Russwurm, in denen die Unterzeichner jeweils aufgrund mangelnder Information beim Betriebsübergang diesem nachträglich widersprechen.

Zuvor machten sie am Morgen in einer spontanen Aktion auf dem Wittelsbacherplatz den Vorstand von Siemens auch nach außen sichtbar auf ihre prekäre Lage und seine Verantwortung aufmerksam. Mehrere Vertreter aus Gesamt- und Konzernbetriebsrat von Siemens, unter ihnen die stellvertretende Vorsitzender beider Gremien Birgit Steinborn, unterstützten ihr Anliegen ebenso wie Dieter Scheitor vom Siemens Team der IG Metall und Sibylle Wankel von der IG Metall-Bezirksleitung Bayern, beide ebenfalls Mitglied im Aufsichtsrat der Siemens AG.

Siemens in der Verantwortung

Steinborn wies in einer kurzen Ansprache an die mdexx-KollegInnen auf die oft wiederholte Erfahrung hin, dass sich Verlagerungen langfristig nicht rechnen, weil versteckte und unerwartete Kosten einen Strich durch die ursprüngliche Rechnung ziehen. Konzern- und Gesamtbetriebsrat werden sich für den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze in Bremen und bestmöglicher Bedingungen für die anderen KollegInnen einsetzen.

Scheitor betonte die eindeutige Verantwortung Siemens' für seine ehemaligen Beschäftigten, die nach teilweise jahrzehntelanger Arbeit im Unternehmen nur Monate nach dem Verkauf statt vor der angeblich vielversprechenden Zukunft vor dem Abgrund stehen. Wenn die Verlagerung als unternehmerische Entscheidung nicht aufzuhalten ist, muss Siemens wenigstens für einen fairen Ausgleich der Folgen geradestehen.