Siemens Dialog
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20.04.2024, 05:04 Uhr

Protest im gallischen Dorf

  • 28.02.2008
  • Konzern

Heinrich von Pierer musste Konflikte dort ausfechten, Klaus Kleinfeld hatte seine liebe Not mit ihr, nun kommt wohl trotz etwas gemäßigterer Töne auch Peter Löscher nicht an ihr vorbei: In Münchnens Hofmannstraße brodelt es wegen der Abbaupläne bei SEN. Rund 850 Beschäftigte und Ex-COM-KollegInnen demonstrierten unter regem öffentlichem Interesse - und kündigen mehr an, sollte Bedarf bestehen.

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Eine Betriebsversammlung der stark von den Plänen betroffenen Münchner Standorte von Siemens Enterprise Communications (siehe SEN: Karten auf dem Tisch) war am Donnerstag Morgen zum Platzen mit besorgten und verärgerten Beschäftigten gefüllt. Am Ende der Information durch den Gesamtbetriebsrat und die IG Metall zog mit rund 850 von ihnen die Mehrheit vor den ehemaligen Haupteingang von Mch H, um dort öffentlich gegen die Pläne des Siemens-Managements zu protestieren. Und die Öffentlichkeit zeigte sich sehr interessiert: Kamerateams aller großen TV-Sender, Radioreporter und Print-Journalisten drängten sich am Rand der Menge.

Zeche zahlen für Managementfehler?

Die Empörung darüber, dass im Zuge einer umfangreichen Restrukturierung etwa 2.000 Stellen in Deutschland und vor allem im Münchner SEN-Stammhaus dem Rotstift zum Opfer fallen sollen, war bei der Protestkundgebung beinah zu greifen. Redner von Gesamtbetriebsrat, Betriebsräten, IG Metall und weiterer ehemaliger COM-Betriebe fassten zusammen, was auch in der Menge der Tenor war: Für Managementfehler, die auch CFO Joe Kaeser öffentlich einräumte und vor denen die Arbeitnehmerseite schon vor Jahren gewarnt hatte, sollen nun erneut die Beschäftigten die Zeche zahlen.

Einiges noch offen

Das aber wollen sie Siemens so einfach nicht machen. In Siemens' "gallischem Dorf", wie es IG Metall-Vertreter Michael Leppek unter Applaus auf den Punkt brachte, lässt man sich nicht ohne weiteres abservieren. Nun stehen erst einmal Gespräche mit Siemens an, bei denen sich herausstellen muss, was auch der Gesamtbetriebsrat in einer Beschäftigteninformation vom 28. Februar (siehe Download) fragt: 3.200 Mitarbeiter sind in Deutschland unmittelbar betroffen. Wen trifft es wirklich? Bleiben alle Standorte erhalten? Wie sollen mit diesem Vorgehen nachhaltiges Wachstum und wirtschaftliche Stabilität sichergestellt werden? Und ist die Entscheidung für einen "Partner" nicht längst gefallen, weshalb man SEN jetzt für ihn attraktiv macht?

Zukunftskonzept Fehlanzeige

Im Mittelpunkt der Kritik steht, dass trotz aller Appelle der Arbeitnehmerseite immer noch kein Zukunftskonzept vorliegt. Die jetzt verkündete Restrukturierung ist in erster Linie kostengetrieben - wohin es aber mit SEN wirklich geht, bleibt ungewiss. Angesichts dieser Situation wollten die Münchner ihre Protestkundgebung am liebsten gar nicht beenden, als sie sich dem offiziellen Schluss näherte. Laute Pfiffe und Applaus begrüßten den Vorschlag, bei den anwesenden Ordnungshütern formal eine "Spontandemonstration" anzumelden und mit ihrer Begleitung um das Betriebsgelände zu marschieren.

Unverkennbar ist den SEN-Beschäftigten bereits bestens bewusst, was auch die Redner mehrfach betonten: Ihnen stehen noch entscheidende Auseinandersetzungen bevor, bei denen sie gemeinsam mit der IG Metall Flagge zeigen werden müssen. Wenn es nötig wird, so war vielfach zu hören, werden sie ihren Protest das nächste Mal auf den Wittelsbacherplatz tragen, wo man ihn noch besser hören und sehen kann.