Siemens Dialog
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25.04.2024, 08:04 Uhr

Siemens 2020 - Regionalkonferenz in Leinfelden-Echterdingen

  • 06.08.2013
  • Allgemein

Schon im Juni trafen sich in Leinfelden-Echterdingen rund 80 Betriebsräte und Vertrauensleute aus baden-württembergischen Siemens-Standorten mit Vertretern aus Gesamtbetriebsrat und IG Metall zur Siemens-Regionalkonferenz Baden-Württemberg. Im Mittelpunkt stand wie in den anderen Bezirken "Siemens 2020", der alternative Ansatz der Arbeitnehmerseite zu steigendem Margendruck und "Siemens 2014".

Innovationsführerschaft, oder kostengetriebene Anpassung an die Märkte…

Bezirksleiter Jörg Hofmann erläuterte in seiner Einleitung die aktuelle Industriepolitik in Baden-Württemberg und die Parallelen in der Industrie – eine Nettoinvestitionsquote auf historischem Tiefstand bei gleichzeitig starken technologischen und gesellschaftlichen Umbrüchen. „Wie sollen unter diesen Voraussetzungen die Herausforderungen aus Klimawandel und demographischem Wandel bewältigt werden?“  fragt Hofmann. Der Blick nur auf die Renditen beantworte keine der gestellten Fragen. Was Siemens brauche, sei wieder eine Innovationsführerschaft auf Basis qualifizierter Belegschaften. Das bedeute auch Standort- und Investitionsentscheidungen für Entwicklung und Produktion in Deutschland. Für Siemens gebe es in Baden-Württemberg viele Chancen, die genutzt werden könnten, wenn Siemens nur wollte. Sei es bei der Entwicklung der E-Mobilität oder beim Leichtbau. Momentan sei Siemens aber noch nicht mal beim Wirtschafts-Dialog Baden-Württemberg vertreten.

Innovation und gewachsene Technologieführerschaft

Die IMU-Studie "Industriepolitik und Unternehmensstrategie" bestärkt aus wissenschaftlicher Sicht die Thesen von Jörg Hofmann. "Innovation aus eigener Kraft und eine aus Forschung und Entwicklung gewachsene Technologieführerschaft sind unerlässlich für organisches Wachstum. Ein Margenziel von mindestens 12 Prozent birgt das Risiko, dass in Zukunftstechnologien, vor allem solche, die aus heutiger Sicht nicht zum Kerngeschäft gehören, nicht mehr ausreichend investiert wird beziehungsweise sie aus dem Portfolio gestrichen werden", erläuterte Dr. Jürgen Dispan, Leiter der IMU-Studie in Leinfelden-Echterdingen.

Investitionen in die Zukunft werden schnellem Gewinn geopfert

In einer Diskussionsrunde mit der stellvertretenden Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Birgit Steinborn, Jürgen Dispan, dem gschäftsführenden IG Metall-Vorstandsmitglied und Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner und Claus Schreijäck wurden die aktuelle Siemensstrategie und die Alternativen der IG Metall und des Betriebsrates beleuchtet. Steinborn nannte als Beispiele für gescheiterte Großprojekte Stuttgart 21, Elbphilharmonie und Flughafen Berlin. Alle diese Projekte hätten eine Gemeinsamkeit: Die betroffenen Menschen wurden nicht beteiligt. So sei es derzeit auch bei Siemens. Auf  Druck der Finanzmärkte würden Investitionen und Beteiligung der Beschäftigten dem schnellen Gewinn geopfert. Trotz zweier Rekordjahre, trotz der Milliardengewinne und üppigen Dividenden hält dieser Druck nicht nur an, sondern nimmt sogar weiter zu. Kerner stellte die dahinter stehende Gewinnlogik dar: Mit "Siemens 2014" soll unternehmensweit eine Marge von zwölf Prozent erreicht werden, was in etlichen Bereichen aus den unterschiedlichsten Gründen trotz aller Anstrengungen der Beschäftigten ohnehin kaum realistisch ist. Sollte es jedoch trotzdem gelingen, ist der nächste Schritt bereits abzusehen, so Kerner: "Wenn das erreicht wird, sagen die Schattenmänner des Finanzmarktes 'Dann gehen auch 14 Prozent'."

Der Gesamtbetriebsrat habe durch Zusammenarbeit und Beteiligung trotzdem Erfolge erzielt. Ziele des Vorstandes beim Personalabbau konnten reduziert, Qualifizierungsmaßnahmen auf den Weg gebracht und die Mitbestimmungsrechte und die Beteiligung des Betriebsrates verbessert werden. Durch die Unterstützung der IG Metall sei man in der Betriebsratsarbeit besser geworden. Auch der Siemens Aktionstag sei ein Erfolg gewesen. Dabei sei nicht gegen das Unternehmen gekämpft worden, sondern gegen den Margen-Wahnsinn und das Diktat der Finanzmärkte. Selbst Führungskräfte seien mit auf dem Hof gewesen.

Unsichere Zukunft für Siemens in Konstanz

Das Werk in Konstanz soll verkauft werden und die Braut vorher noch durch Entlassungen aufgehübscht werden, berichtet Claus Schreijäck. Auch dies sei Teil der Siemens 2014-Strategie. Bei den Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan kooperiere man eng mit dem Gesamtbetriebsrat, Information und Abstimmung funktionierten gut. Die Stimmung im Betrieb sei geprägt von Unsicherheit. Der Betriebsrat habe durch gute, aktive Öffentlichkeitsarbeit die Belegschaft hinter sich gebracht und sehe einen Erfolg darin, dass vor dem Verkauf beim Personalabbau keine Fakten mehr geschaffen werden können. So habe ein künftiger Erwerber die Chance Beschäftigte zu behalten, falls er eine andere Strategie als Siemens fahren wolle.

Siemens 2020

Die Umsetzung Siemens 2020 finde an einzelnen Standorten in konkreten Projekten vor Ort statt, erläuterte Moderator Reinhard Hahn vom Siemens Team der IG Metall. Die Alltagsarbeit der Betriebsräte würde sich dadurch langsam verändern. Kerner betonte, dass man noch durchsetzungsfähiger werden müsse und vor Ort aktionsfähiger sein müsse, um Siemens aus der Sackgasse der reinen Margenorientierung herauszusteuern. Dazu müsse die Betriebsratsarbeit durch die Verzahnung Betriebsräte - Gesamtbetriebsrat - IG Metall das Konzept 2020 weitertreiben.

Lebhafter Austausch

Die anschließende Podiumsdiskussion mit Betriebsräten der Standorte Karlsruhe, Stuttgart, Rastatt, Konstanz und Kirchheim stand unter dem Motto „Zeitreise 2020“. Es gab einen lebhaften Austausch über konkrete Betriebsratsarbeit vor Ort. Zukunftsvorstellungen zu Produkten, Arbeitsbedingungen, Qualifizierung, Beteiligung, Unternehmenskultur und „gesundem Menschenverstand“. Aber auch über erfolgreiche Aktionen um Druck aufzubauen für eine andere Unternehmenspolitik.

Am Ende waren sich alle einig, dass die Konferenzen kontinuierlich fortgesetzt werden sollten. Es gehe darum sich einzumischen, zu gestalten und nicht nur zu verteidigen, betonte Kerner in seinem Schlusswort: "Das muss unsere Stärke sein!"