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19.04.2024, 02:04 Uhr

SIS: Ausgliederung im Juli - und dann?

  • 04.12.2009
  • Konzern

Siemens IT Solutions and Services, soeben organisatorisch wieder von Siemens abgetrennt, soll zum ersten Juli 2010 nun doch komplett ausgegliedert und zunächst als eigenständiges Unternehmen im Siemens-Konzern geführt werden. Peter Löscher begründete diese Absicht am Donnerstag mit einer stärkeren Ausrichtung an den Erfordernissen der IT-Märkte - was nicht viel zur Aufhellung der Motive beiträgt.

"Siemens steht zu seiner IT" ...

Personalvorstand Siegfried Russwurm hatte im Rahmen der Betriebsräteversammlug im November auf Nachfragen zur Zukunft von SIS versichert: "Siemens steht zu seiner IT". Das klang gut, und sollte die anwesenden Betriebsräte beruhigen. Offensichtlich kann man daraus aber keineswegs schließen, dass SIS auch dauerhaft bei Siemens bleibt.  Auch die Zusicherungen der Unternehmensseite, die zum 1.12.2009 vorgenommene Abspaltung des Bereichs SIS in eigene Betriebe in der Siemens AG habe keine gesellschaftsrechtliche Abspaltung zum Ziel, sind nun Schnee von gestern.

... aber will sie gern loswerden

CFO Joe Kaeser machte bei der Jahrespressekonferenz öffentlich, was vorstandsintern wohl längst klar war: Mittelfristig will Siemens SIS loswerden, und "dafür werden alle Optionen geprüft, Partnerschaften wie ein Börsengang". Man kennt derartige Aussagen aus der Geschichte unter anderem von Siemens VDO und den diversen ehemaligen COM-Bereichen; aus Sicht der Beschäftigten ist es enttäuschend, dass der Siemens-Vorstand nicht mehr Engagement an den Tag legt, wenn es um die Zukunft seiner IT und Tausender MitarbeiterInnen geht.

Schneller, innovativer, stärker - aber mit welchem Konzept?

SIS-CEO Christoph Kollatz versuchte sich zeitgleich zur Bilanzpressekonferenz per Rund-Mail an der schwierigen Aufgabe, den Beschäftigten den neuesten Richtungswechsel des jahrelangen Schlingerkurses plausibel zu machen: Man stoße in der jetzigen Struktur "insbesondere in Bezug auf Geschwindigkeit und Flexibilität in einigen Bereichen an Grenzen" und wolle SIS mit der Überführung in eine eigenständige Einheit "Schneller - Innovativer - Stärker" machen. Auch das klingt gefällig - fraglich ist allerdings, wie das selbe Management dies bewerkstelligen soll, dem es schon in den vergangenen Jahren nicht gelang.

"Wir werden Arbeitsplätze verlieren"

Nach Jahren unentschlossener und halbherziger Ansätze erst bei SBS, dann bei SIS, glaubt Kollatz offenbar trotzdem, werde man so nun "die Grundlage für weiteres profitables Wachstum" schaffen. Dass angesichts der endlosen Reihe früherer Versuche in die selbe Richtung bei den Beschäftigten vermutlich erhebliche Skepsis besteht, mag freilich selbst er nicht gänzlich ignorieren: "Leicht wird das nicht werden und wir werden auch Arbeitsplätze verlieren, die auf Dauer nicht wirtschaftlich gestaltet werden können."

Spiel mit verdeckten Karten

In der Tat: Leicht wird das nicht werden. Und die Beschäftigten müssen schon jetzt den Eindruck gewinnen, dass wieder einmal mit verdeckten Karten gespielt wird. Ihnen gegenüber nämlich wurde die organisatorische Abtrennung zum ersten Dezember damit begründet, dass man so die "spezifischen Interessen des IT-Bereichs" besser berücksichtige und bessere Betriebsratsstrukturen entstünden - von den jetzt verkündeten Plänen und Optionen war nicht die Rede. "Mehr Eigenständigkeit für die Siemens IT - mit welchem Ziel?" fragten Betriebsräte und IG Metall daher schon im September in einem Flugblatt (siehe SN-IV-09.pdf) - CEO und CFO präsentierten erst jetzt mit ihren Statements die Antwort. Betriebsräte und IG Metall forderten damals wie heute vor allem ein klares Geschäftskonzept statt der x-ten Reorganisation.

Rütteln am Tarif?

Bei der Ausgliederung "geht es vor allem um die Gehälter", analysiert die "<link http: www.ftd.de it-medien it-telekommunikation :sorgenkind-siemens-will-it-sparte-loswerden _blank external-link-new-window ftd>undefinedFinancial Times Deutschland"am Freitag - zutreffend, steht zu befürchten. Dabei wurde dieser Aspekt schon im Jahr 2007 im Zuge der Eingliederung in die Siemens AG mit besonderen tariflichen Regelungen berücksichtigt. Seither tragen die SIS-Beschäftigten über einen Ergänzungstarifvertrag mit Millionenbeträgen zu einer Entgeltstruktur bei, die das Management - schon damals unter Kollatz' Führung - als wettbewerbskonform einstufte.

Nun allerdings erklärt Kaeser praktisch das Gegenteil: "Die Gehaltsstruktur bei SIS ist diametral zu dem, was heute gefragt wird", lautete seine unzweideutige Aussage auf der Pressekonferenz. Die Ergänzung, das bedeute nicht zwingend den Abschied vom IG Metall-Tarif, klingt da erst einmal wenig überzeugend, zumal er ausführte, bei anderen Unternehmen würden Mitarbeiter mit einfachen Standardaufgaben schlecht, Spezialisten aber exzellent bezahlt.

In diesem Zusammenhang rückt schon jetzt die Betriebsratswahl im Frühjahr 2010 in den Fokus, bei der SIS aufgrund der Abspaltung wieder eigene Gremien wählen wird: Kommt es zu Interessenvertretungen ohne deutliche Mehrheiten für die IG Metall-Betriebsräte, ist zu befürchten, dass sich das Unternehmen ohne viel Federlesens von den derzeitigen tariflichen Standards entfernt - nach unten, versteht sich.

Klare Forderungen der Arbeitnehmerseite

Aus Arbeitnehmersicht müssen vor diesem Hintergrund die bereits im September formulierten Forderungen noch stärker in den Vordergrund rücken:
+ wesentliche Veränderungen im seit Jahren offenbar ideenlosen Management
+ die Entwicklung einer klaren Geschäftsperspektive
+ neue Geschäftsfelder und Geschäftsideen statt bestenfalls kurzfristig wirksamer Personalmaßnahmen
+ Verbleib von SIS als wichtigstem IT-Dienstleister im Siemens-Konzern
+ Erhalt der Entgeltstrukturen auf Basis der geltenden IG Metall-Tarife für SIS

Gemeinsam für die Beschäftigung

Wie auch immer Siemens die künftige Entwicklung von SIS gestalten will - die IG Metall, der Gesamtbetriebsrat und die Betriebsräte werden die Interessen der SIS-Beschäftigten weiter nachdrücklich vertreten. SIS wird sich nicht ohne Widerstand dem Schicksal früherer fehlgeschlagener Ausgliederungen anschließen.