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29.03.2024, 00:03 Uhr

Sozialhilfe statt Versicherungsleistung

  • 11.03.2011
  • Allgemein

Lange Zeit basierte die Arbeitslosenunterstützung auf dem Versicherungsprinzip - wer arbeitslos wurde, profitierte von seinen zuvor gezahlten Beiträgen. Damit haben die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre gründlich aufgeräumt, wie eine Studie ergibt: Der Normalfall ist nunmehr eine Unterstützung per Sozialhilfe.

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Arbeitslosenversicherung auf dem Rückzug

Sozialforscher der <link http: boeckler.de _blank external-link-new-window hbs>undefinedHans Böckler-Stiftung informieren über den Effekt, der den Sozialstaat nachhaltig verändert hat: Die Arbeitslosen­unterstützung funktioniert heute in der Regel nach den Grundsätzen der Sozialhilfe anstelle des Versicherungsprinzips. Der Begriff Arbeitslosenversicherung ist also eigentlich immer weniger berechtigt, da die Leistung mittlerweile in der Praxis zunehmend davon entkoppelt ist, was zuvor eingezahlt wurde.

Die Untersuchung der Experten zeigt, dass Anfang der neunziger Jahre noch über 80 Prozent aller Erwerbslosen Leistungen vom Arbeitsamt erhielten, die weitgehend Versicherungscharakter hatten und deren Höhe vom früheren Verdienst abhing - heute trifft dies nur noch für 35 Prozent zu.

Fürsorge- statt Versicherungsleistung

Die Ursache liegt in den Arbeitsmarktreformen der vergangenen Dekade, vor denen der größte Teil der Erwerbslosen Arbeitslosengeld bezog, eine Minderheit Arbeitslosenhilfe. Auch deren Bezug war zudem zwar an die Bedingung geknüpft, dass der betreffende Arbeitslose nicht über nennenswerte Zusatzeinkünfte oder Vermögen verfügte, stellte aber eher eine Versicherungs- als eine Fürsorgeleistung dar; deutlich wird dies im Vergleich zum Arbeitslosengeld II, für das eine strenge Bedürftigkeitsprüfung Voraussetzung ist.

Entscheidende Faktoren dieses grundlegenden Richtungswechsels sind nach Auffassung der Wissenschaftler die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe im Zuge der vierten Hartzreform, die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes seit 1998, verschärfte Zugangsvoraussetzungen beim Arbeitslosengeld sowie eine zunehmende Langzeitarbeitslosigkeit.

Keine umfassende Absicherung mehr

Die Arbeitslosenversicherung demonstriert deutlich, wie stark der "Deckungsgrad" der Sozialversicherungen zurückgegangen ist, die unter dem Strich keine umfassende Absicherung der Lebensrisiken der Mittelschicht mehr bieten. Verantwortlich dafür ist nach Einschätzung der Experten letztlich, dass die Politik "die Erosion der Einnahmebasis der Sozialversicherungen durch Niedriglöhne und nicht-sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bewusst in Kauf nahm und sogar förderte" - um anschließend radikale Reformen mit der "angespannten Finanzsituation"zu rechtfertigen.