Siemens Dialog
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20.04.2024, 00:04 Uhr

Tarifbindung für Siemens-Tochter

  • 22.12.2010
  • Konzern

Die Turbine Airfoil Coating and Repair GmbH (TACR) in Berlin war seit ihrer Gründung als Joint Venture von Siemens und der amerikanischen Chromalloy im Jahr 2000 nicht tarifgebunden. Mit dem Übergang in eine hundertprozentige Siemens-Tochter zum ersten Dezember haben Betriebsrat, Belegschaft und IG Metall das nun grundlegend geändert.

Irene Schulz, die BR-Vorsitzende Barbara Neumann<br>und ihr Stellvertreter Danny Ratzow. (Foto: C. v.<br>Polentz, transitfoto.de / zum Vergrößern anklicken)

Rund 170 Menschen sind bei TACR in Berlin mit der Beschichtung und Reparatur von Gasturbinenschaufeln beschäftigt, die unter anderem bei Siemens' Gasturbinen zum Einsatz kommen. Der komplexe Prozess versieht neue und gebrauchte Schaufeln mit metallischen und keramischen Schutzschichten, um sie vor den hohen Temperaturen im Einsatz zu schützen.

Nachteile ohne Tarif

Der Betrieb war nie tarifgebunden, was für die Belegschaft die bekannten Nachteile im Vergleich zu tarifgebundenen Unternehmen mit sich brachte: Die Arbeitszeit betrug 40 Wochenstunden und es gab weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld. Ein wenig transparentes Entgeltsystem sah neben einem Grundentgelt individuelle Komponenten vor, die bis zur Hälfte des Gesamtentgelt ausmachen und bei den selben Tätigkeiten unterschiedlich ausfallen konnten - die Unzufriedenheit in der Belegschaft war praktisch vorprogrammiert.

Mandat für gemeinsame Anstrengung

Anfang 2009 wandte sich der Betriebsrat daher an die Berliner IG Metall, um zu erörtern, wie man eine Tarifbindung erreichen könne. Irene Schulz, die auch zum Siemens Team der IG Metall gehört, sagte Unterstützung zu; gleichzeitig machte sie aber auch deutlich, dass für ein erfolgreiches Vorgehen ein eindeutiges Mandat und entsprechender Mitgliederzahlen unabdingbar waren.

Beim Betriebsrat fiel diese Bedingung auf fruchtbaren Boden. Er trat geschlossen in die IG Metall ein und begann äußert erfolgreich, auch die KollegInnen im Betrieb ins Boot zu holen. Unter diesen Vorzeichen konnte Schulz schon im April die Beschäftigten bei einer Betriebsversammlung über die entscheidenden Unterschiede zwischen den betrieblichen Bedingungen bei TACR und dem Flächentarifvertrag informieren. Ergänzend erläuterte sie die rechtlichen Grundlagen der Tarifbindung und bat die anwesende Geschäftrsführung um ein erstes Gespräch.

ERA-Tarifvertrag statt Haustarif

Nach einiger Beharrlichkeit in der Terminverabredung kam es zu Gesprächen, an denen auch der Arbeitgeberverband, Vertreter von Siemens sowie die Konzernbetriebsratsvorsitzende Bettina Haller teilnahmen. Das Ziel war aus Sicht der Arbeitnehmerseite klar: ERA-Tarifvertrag statt Haustarif. Parallel schulte Schulz an Samstagen die neu gebildete Tarifkommissionzum Thema ERA - "im Turbotempo", wie sie selbst es schildert. Zusätzliche Unterstützung kam von den Siemens-Betriebsräten in Turbinenwerk und des Service, was insbesondere bei der parallel stattfindenden ERA-Eingruppierung sehr hilfreich war, verfügen sie doch im Gegensatz zu den TACR-Kollegen über handfeste Eingruppierungserfahrung.

Ziele durchgesetzt

Die gemeinsame Anstrengung ermöglichte schließlich ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann: TACR tritt zum ersten Januar 2011 in den Arbeitgeberverband ein, dann gelten alle Tarifverträge bis auf einige per Überleitungstarifvertrag geregelte Abweichungen. Letztere reduzieren die Wochenarbeitszeit ab Ende 2011 gestaffelt auf 35 Stunden Woche und heben paralle Weihnachts- und Urlaubsgeld an. Damit setzte die Arbeitnehmerseite ihr Ziel gegen die Vorstellung der Arbeitgeberseite durch, Abweichungen in einem unternehmensbezogenen Tarifvertrag dauerhaft festzuschreiben.

Irene Schulz fasst zusammen: "Es ist das Verdienst des Betriebsrates und der IG Metall-Kollegen, viele Mitglieder zu gewinnen und die Belegschaft über einen Zeitraum über einem Jahr 'am Ball zu halten'.  Sehr wichtig war auch die Unterstützung der Siemens-Kollegen aus dem Gasturbinenwerk und dem Energy Service sowie der Siemens-Konzernbetriebsratsvorsitzenden."