Siemens Dialog
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18.04.2024, 22:04 Uhr

"Ungeschicktes Timing"

  • 13.12.2010
  • Allgemein

Am Wochenende gab es zwei Meldungen zu China, dem Land der unbegrenzten Wachstumsmöglichkeiten. Zum einen erhielt der inhaftierte Bürgerrechtler Liu Xiaobofür sein Engagement den Friedensnobelpreis. Zum anderen äußerte Siemens-CEO Peter Löscher Schmeichelhaftes für die chinesische (Wirtschafts-)Politik, - ein Kombination, die etwas Befremden hervorruft.

Die "Süddeutsche Zeitung" drückte in einem <link http: www.sueddeutsche.de v5y38r zwischen-den-zahlennachhaltig-daneben.html _blank external-link-new-window>undefinedKommentar aus, was in vielen Medien anklingt: "Die Äußerungen sind mehr als ungeschicktes Timing." Gemeint ist ein <link http: www.tagesspiegel.de wirtschaft die-zivilisation-hat-mehr-als-ein-gesicht _blank external-link-new-window tagesspiegel>undefinedInterview im "Tagesspiegel am Sonntag", in dem Löscher sich vielleicht eine Spur zu voll des Lobes zeigt. Das Verhalten der Statsführung dort beispielsweise in Sachen Währungspolitik könnten westliche Industrienationen "nur begrüßen", erklärte Löscher, und beim Schutz geistigen Eigentums gebe es deutliche Verbesserungen.

Bewundernswerte langfristige Perspektiven

Zu derartigen eher konkreten Sachfragen gesellt sich eine äußerst diplomatische Bewertung der bevorstehenden Erneuerung der politische Führung Chinas in zwei Jahren: "Chinas Geschichte und Chinas Gegenwart haben eine andere Prägung als beispielsweise die europäische Staatenwelt. Aber die Zivilisation hat mehr als ein Gesicht, und von keinem sollte man vorschnell sagen, es sei in allen Belangen besser oder schlechter. Ich bewundere beispielsweise die langfristige Perspektive in der chinesischen Politik, von der wir uns durchaus auch etwas abschauen können."

Ungesagt bleibt dabei, dass Faktoren wie diese langfristige Perspektive letztlich darauf basieren, dass in einem autoritärem Regime schnelle Wechsel etwa durch Abwahl der Regierung in der Tat unwahrscheinlich sind. Die "Süddeutsche Zeitung" formuliert, was wohl so mancher unwillkürlich denkt: "Für Liu Xiaobo müssen die Aussagen wie eine Ohrfeige wirken. Die Äußerungen sind mehr als ungeschicktes Timing. Sie zeugen davon, dass es Managern an Gespür dafür fehlt, wo sie Geschäft über Moral stellen."

"Medienwirksame Kränze"

Dabei stellt auch der Kommentar nicht in Abrede, dass Veränderungen in China Zeit brauchen und wirtschaftliches Engagement in diesem Prozess durchaus hilfreich sein kann. Die Frage ist allerdings, wie man dabei vorgeht, und wie das wioderum auf andere wirkt: "Wer autoritären Staatschefs so medienwirksam Kränze windet, setzt sich dem Verdacht aus, dies im Namen der Gewinnziele zu tun."