Siemens Dialog
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19.04.2024, 08:04 Uhr

Unterschiedliche Bedingungen in der Schichtarbeit

  • 03.02.2014
  • Allgemein

Arbeitgeber konfrontieren Betriebsrätinnen und Betriebsräte mit immer weitergehenden Forderungen nach Flexibilisierung. In Berlin tagten am Ende Januar auf Einladung der IG Metall 50 Siemens-BetriebsrätInnen, um eine erste bundesweite Momentaufnahme bestehender Regelungen und Vereinbarungen zu erstellen.

50 Betriebsräte aus Siemens-Standorten in ganz Deutschland ...

... erarbeiteten einen aktuellen Überblick in Sachen Flexibilisierung.

"Variable Arbeitszeiten, Schichtarbeit und deren Gestaltung in den Werken bei Siemens in Deutschland" - so lautete die volle Bezeichnung des Themas, zu dem sich die Betriebsrätinnen und Betriebsräte aus 21 Produktionsbetrieben von Siemens austauschten. Hier der Bericht der IG Metall Berlin:

Der derzeitige Stand ist, dass je nach betrieblicher Auslastung Beschäftigte oft ihre Arbeitszeitkonten ab- oder aufbauen, Betriebsvereinbarungen mit vergleichsweisen guten Konditionen über Schichtarbeit in Frage gestellt werden oder zusätzliche sogenannte Zwischenschichten geleistet oder Mehrarbeit für Kolleginnen und Kollegen, die Schicht arbeiten, beantragt werden.

Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse keineswegs selbstverständlich

Brauchte der Arbeitgeber aufgrund der guten Auftragslage schnell eine Betriebsvereinbarung, konnten die Interessenvertretungen beispielsweise bezahlte Pausen für Früh-, Spät- und Nachtschicht durchsetzen. Große Unterschiede stellten die Kolleginnen und Kollegen auch bei den Arbeitszeitkonten fest: Hier reichen die Unterschiede von plus /minus 40 Stunden bis zu über 300 plus /minus Stunden. In den Diskussionen wurde deutlich: Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse sind bei der Ausgestaltung der betrieblichen Schichtmodelle keineswegs selbstverständlich, sondern sie sind Teil des Verhandlungsprozesses zwischen Arbeitgebern und der Betriebsrätinnen und Betriebsräte, sie setzen sich beispielsweise für längere Ruhephasen zwischen den Schichten oder eine angemessene Essensversorgung ein.

Bei Siemens selbst forschen Corporate Technology-MitarbeiterInnen unter anderem zum Thema Chronobiologie, der Lehre von der inneren Uhr. Hier wird untersucht, wann wir wach und leistungsfähig und wann müde und erschöpft sind. Wolfgang Kloke und Johannes Scholz aus dem Bereich CT präsentierten dazu ihre Forschungsergebnisse. Sie berichten unter anderem, dass ein hoher Anteil von Frauen und Männern aufgrund ihres individuellen Rhythmus' eher spät abends und nachts wach und leistungsfähig sind. Die Erkenntnisse der verschiedenen Biorhythmen haben bisher in der Gestaltung von Schichtarbeit wenig Eingang gefunden, könnten jedoch künftig an Bedeutung gewinnen.

Mangelhafte Angebote für 50+

Hans Riegel von der Forschungs- und Beratungsstelle für betriebliche Arbeitnehmerfragen (<link http: www.forba.de _blank external-link-new-window forba>undefinedforba) wies in seinem Referat auf die gesundheitlichen Belastungen hin, die mit jahrzehntelanger Schichtarbeit oft einhergehen. Hier wurde ein weiterer zentraler Diskussionsbedarf der KollegInnen deutlich: In keinem Betrieb gibt es ausreichende Angebote für über 50jährige, die bereits jahrelang und keineswegs bis zur Rente im Schichtverfahren arbeiten können. Wie Älteren im Betrieb jenseits der Schichtarbeit eine sinnvolle berufliche Perspektive geboten werden kann, dazu ist ein Folgetreffen geplant.

Vernetzung für Betriebsräte entscheidend

Gemeinsam für gute Arbeit in allen Betrieben zu streiten und konkrete Ansätze aufzuzeigen - das haben sich die Betriebsrätinnen und Betriebsräte vorgenommen. Olaf Bolduan, Betriebsratsvorsitzender im Berliner Dynamowerk und Gesamtbetriebsratsmitglied, zieht Bilanz: "Die Diskussion um Arbeitszeit, Schichtmodelle, Flexibilität lässt sich in das Thema 'Mensch vor Marge' einordnen. Schichtarbeit ist heute Realität in der Industrie, Tendenz zunehmend. Rente mit 67, Familie und Beruf - arbeiten wir um zu leben, oder leben wir um zu arbeiten? Ein Fazit ist: Wir müssen uns noch intensiver um die Umsetzung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse bemühen. Vernetzung ist für uns Betriebsräte entscheidend. Auch der Gesamtbetriebsrat wird das unterstützen."