Siemens Dialog
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25.04.2024, 17:04 Uhr

Wir lassen uns nicht entsorgen!

  • 02.12.2009
  • Allgemein

- das demonstrierten am Mittwoch Mittag rund 700 Siemensianer auf dem Münchner Odeonsplatz, während wenige Meter weiter der Aufsichtsrat tagte. Für den Protest gegen das unaufhörliche Ausgliedern, Verkleinern, Verkaufen, Verlagern und Schließen einzelner Bereiche waren Beschäftigte aller Bereiche aus Standorten in ganz Deutschland angereist.

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Portfolio-Entscheidungen aus heiterem Himmel

Unter großem Medieninteresse, das durch die parallel stattfindende Aufsichtsratssitzung weiter verstärkt wurde, machten sie ihrem Ärger über Siemens' Vorgehen lautstark Luft. Die Ursache für die Enttäuschung ist überall die selbe: Ob bei EDM in Erlangen, Essen oder München, ob bei Siemens EAS oder dem Berliner Schaltwerk, Siemens IT Solutions and Services oder Healthcare in Kemnath - die Belegschaften haben genug von Portfolio-Entscheidungen mit zweifelhafter Begründung, die oft aus heiterem Himmel ihre Zukunft bei Siemens in Frage stellt.

Verkleinern - Ausgliedern - Verscherbeln

Etliche SprecherInnen der EDM als akut vom Siemens-Schema 'Verkleinern - Ausgliedern - Verscherbeln' bedrohtem Bereich betonten die mangelnden Argumente für diese Pläne. EDM leistet auf der einen Seite im Siemens-Verbund gute und beispielsweise für Mobility wichtige Arbeit, und wäre auf der anderen Seite als selbständiges Unternehmen durch den Entfall dieser Vernetzung massiv gefährdet.

Verlagerung vom ersten Platz zum letzten

Kollegen von SEAS unterstützten diese Auffassung mit ihrer eigenen Erfahrung: Im Zuge der Ausgliederung entfiel bereits etwas die Hälfte der früheren Arbeitsplätze, nun sollen plötzlich nochmals 100 Stellen gestrichen werden. Der Niederspannungsbereich im Berliner Schaltwerk, aus dem rund 60 Beschäftigte in der Nacht angereist waren, schilderte seine Lage: Er soll komplett in die tschechische Republik verlagert werden, obwohl er erst vor Monaten in einem internen Benchmark auf Platz eins unter 23 Betrieben landete - das für die Aufnahme vorgesehene tschechische Werk hingegen auf Platz 23.

Portfolio-Bereinigung: "Mitarbeiter auf schmutzige Art entsorgen"

Und so ging es in der Rednerliste weiter, ein Beispiel folgt dem anderen. Dieter Scheitor, Leiter des Siemens Teams der IG Metall und Aufsichtratsmitglied, fasste das Gesamtbild all dieser Mosaiksteine zusammen: "Portfolio-Bereinigung hat Chancen, das Unwort des Jahres zu werden. Der Begriff klingt zwar klinisch sauber, bedeutet in Wahrheit aber einfach nur, Mitarbeiter auf schmutzige Art zu entsorgen." Johann Höcherl, Sprecher des Verbindungskreises Süd, und der Münchner IG Metall-Betreuer für Siemens Martin Kimmich zeigten auf, wie sich diese Politik in München ausgewirkt hat - in zwanzig* Jahren schrumpfte die Zahl der Siemensianer hier von rund 50.000 auf nun nur noch etwa 10.000. Das einleuchtende Fazit der Konzernbetriebsratsvorsitzenden Bettina Haller, die ebenfalls dem Aufsichtsrat angehört: "Bei Siemens ist nichts mehr sicher!"

Signal an den Vorstand

Nun wird man sehen müssen, ob das Signal der Beschäftigten an den Vorstand angekommen ist, und wenn ja, ob er darauf reagiert. Einig waren sich jedenfalls alle RednerInnen stellvertretend für ihre Betriebe: Wenn Siemens auf stur schaltet, war die erfolgreiche Aktion am Mittwoch nur ein Auftakt, weitere werden folgen müssen.


*aufgrund eines Zahlendrehers stand an dieser Stelle bei Erscheinen des Beitrags die Zahl 'zehn' statt 'zwanzig'. Wir bitten den Irrtum zu entschuldigen.