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20.04.2024, 04:04 Uhr

Zweifelhafter Rekord

  • 17.07.2007
  • Allgemein

Trotz der durchgestarteten Konjunktur und Anzeichen einer leichten Entspannung auf dem Arbeitsmarkt stecken den Deutschen falsch verstandenes Pflichtgefühl und die Sorge um den Arbeitsplatz weiter in den Knochen: Die Ausfallzeiten durch Krankheit schicken offenbar sich erneut an, auf einen bislang nie dagewesenen Niedrigstand zu sinken.

Wie der <link http: www.bertelsmann-stiftung.de cps rde xchg sid-0a000f14-b1b48b55 bst hs.xsl prj_7097.htm _blank>Gesundheitsmonitor der gemeinnützigen Bertelsmann-Stiftung ermittelte, haben sich in den vergangenen zwölf Monaten 71 Prozent der Deutschen mindestens einmal "richtig krank" zur Arbeit geschleppt. 30 Prozent haben dies sogar gegen den ausdrücklichen Rat ihres Arztes getan - die Rede ist also eindeutig nicht von leichtem Unwohlsein oder allgemeiner Arbeitsunlust. Die nötige Auszeit zur Genesung verschoben 44 Prozent zweimal oder öfter aufs Wochenende.

Ein Mix aus Pflicht und Angst...

Als Gründe für das Ignorieren der eigenen Gesundheit gaben 53 Prozent der Betroffenen Pflichtgefühl an, 46 wollten Rücksicht auf Kolleginnen und Kollegen nehmen, und immer noch ein Viertel Angst vor beruflichen Nachteilen oder Arbeitsplatzverlust.

... nutzt auf Dauer niemandem

Die Arbeitgeber könnten sich angesichts dieser selbstlosen Einstellung eigentlich die Hände reiben - wäre da nicht die unter Wissenschaftlern längst unumstrittene Tatsache, dass auch den Unternehmen auf Dauer nicht mit Mitarbeitern gedient ist, die ihre Gesundheit der Plichterfüllung unterordnen. Das bestätigt auch der zuständige Projektmanager der Bertelsmann Stiftung, Andreas Heyer: "Mitarbeiter, die sich trotz Krankheit zur Arbeit schleppen, sind durch Produktivitätseinbußen und Ansteckungsgefahr für Kollegen langfristig auch nicht im Interesse der Unternehmen."

Die Ausfallzeiten wegen Krankheit jedenfalls gehen jedes Jahr weiter nach unten. Für 2006 meldete das Bundesgesundheitsministerium den seit der Wiedervereinigung unerreichten Tiefstand von 7,2 Tagen pro Jahr. Das wäre eine willkommene Entwicklung, basierte sie auf verbesserter Gesundheit; mit Blick auf die wahren Ursachen jedoch sind Unternehmen, Politik und die Arbeitnehmerseite selbst aufgefordert, das kontraproduktive Gleichsetzen von "krank" und "Drückeberger" zu verhindern. In diese Richtung denkt auch Experte Heyer: "Eine partnerschaftliche Unternehmenskultur, die Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einbezieht, trägt entscheidend dazu bei, die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten. Auch Faktoren wie Arbeitsorganisation, Arbeitsumgebung und Führungsverhalten beeinflussen, ob der Arbeitsplatz eine Belastung oder eine Ressource für die Gesundheit der Belegschaft darstellt."