Schon immer hat das Thema Arbeitszeit viele Kolleg:innen im Geltungsbereich der Tarifvertraglichen Sondervereinbarung bei Siemens (TvSv) und des Siemens Healthineers Vertriebs- und Servicetarifvertrags (HVST) bewegt und viele Gerechtigkeitsfragen aufgeworfen. Aber selten waren die Missverhältnisse so sichtbar wie in diesem Kalenderjahr.
Aktuell geht es um die Jahresarbeitszeit: Sie beträgt laut Tarifvertrag im Westen 1.575 Stunden (exklusive 50 Quali-Stunden) und im Osten 1.672 (inklusive 50 Quali-Stunden). Diese Stundenanzahl müssen also die Tarifbeschäftigten (Vollzeit) außerhalb von Urlaubstagen, gesetzlichen Feiertagen, den arbeitsfreien Wochenenden sowie den durch Tarifvertrag freien Arbeitszeiten (24. und 31.12.) jedes Kalenderjahr arbeiten, um ihre tarifvertragliche Verpflichtung zu erfüllen.
Je nach betrieblicher Arbeitszeitvereinbarung, Kalenderjahr und Bundesland kann diese Verpflichtung auch bereits vor dem Ende des Kalenderjahres erfüllt sein. Zum Beispiel hätte ein Kollege aus der Niederlassung Hamburg 2021 seine tarifvertragliche Jahresarbeitszeit von 1.575 Stunden bereits am 23.12. erfüllt. Alles, was er dann darüber hinaus bis zum Ende des Kalenderjahres arbeitet, ginge über die im Tarifvertrag vereinbarte Jahresarbeitszeitverpflichtung hinaus.
Theoretisch könnte dieser Kollege dann entweder bis zum Jahresende freimachen oder er arbeitet im gewohnten Rhythmus weiter und baut auf diese Weise eine ganze Menge Plusstunden auf. In der Praxis werden diese überschüssigen Arbeitszeiten aber bisher weder vergütet, noch auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben; sie gehen faktisch zugunsten des Arbeitgebers und auf Kosten des Beschäftigten.
Die IG Metall und viele Siemens-Betriebsräte sind über diese Praxis mehr als sauer und fordern von Siemens ein Ende der ungerechten und den Tarifvertrag missachtenden Umgangsweise mit dem Zeitüberschuss. In den nächsten Wochen werden sie deshalb dieses Thema in Betriebsversammlungen zur Sprache bringen. Die IG Metall-Geschäftsstellen werden zudem Kontakt mit den Gewerkschaftsmitgliedern ihrer TvSv-Betriebe aufnehmen, um mit ihnen gemeinsam (z.B. im Rahmen virtueller Mitgliederversammlungen o.a. Formaten) über eine geeignete Vorgehensweise zu beraten.