Siemens Dialog
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29.03.2024, 00:03 Uhr

Berichte zum Aktionstag: über 1.200 Teilnehmer in Erlangen

  • 05.06.2014
  • Allgemein

Einer der Höhepunkte des Aktionstages war zweifellos die Kundgebung der Erlanger Siemens-Betriebe mitten im Stadtzentrum, an der nach Schätzung der Polizei über 1.200 Menschen teilnahmen. Dabei waren Beschäftigte von Siemens Erlangen G, Healthcare in Erlangen und Forchheim, Siemens F 80, Energy und Sykatec, viele eigens mit Bussen angereist.

Volles Haus ...

... im Erlanger Zentrum.

Als Redner meldeten sich neben den Betriebsratsvorsitzenden der vier Erlanger Siemens-Betriebe auch der Bezirksleiter der IG Metall Bayern, Jürgen Wechsler, der stellvertretende Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats Robert Kensbock sowie die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Erlangen Silvia Heid zu Wort. Für die Auszubildenden sprach David Köber von der Jugend- und Auszubildendenvertretung der Sykatec, einer hundertprozentigen Siemens-Tochter mit Sitz in Erlangen.

Konzernumbau:  Was wird mit den betroffenen Mitarbeitern in Erlangen?

Als weltweit größter Siemens-Standort ist Erlangen vielfach von Konzernumbau und Portfolio-Entscheidungen sowie dem Poker um Alstom betroffen. Nach Einschätzung der IG Metall ist dabei die Neustrukturierung zwar einerseits mit neuen Chancen, andererseits jedoch gerade in Erlangen mit erheblichen Risiken für die Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze verbunden. Von bundesweit etwa 18.000 betroffenen Beschäftigten sind 5.500 in Erlangen ansässig – kein Wunder, befinden sich hier doch drei der vier Sektorzentralen, die aufgelöst werden sollen. Hinzu kommt, dass auch in der darunterliegenden Ebene durch die Verringerung der Divisionen von 16 auf 10 Einheiten einiges durcheinander gewirbelt werden wird. Ähnliches steht für viele zentral angesiedelte Verwaltungs- und Supportfunktionen zu erwarten.

Angesichts solcher Dimensionen stellt sich für viele Beschäftigte in Erlangen die berechtigte Frage, wo und ob überhaupt diese Beschäftigten in Zukunft Arbeit bei Siemens finden werden. Robert Kensbock, Stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender und Arbeitnehmervertreter im Siemens-Aufsichtsrat, betonte in diesem Zusammenhang die entscheidende Bedeutung der geltenden Standort- und Beschäftigungssicherung: „Radolfzell gilt, und damit sind einseitige betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen!“

Zukunft von Healthcare bleibt weiter unklar

Der bisherige Healthcare-Sektor soll künftig als Division, jedoch weitgehend eigenständig als „Unternehmen im Unternehmen“ unter dem Dach der Siemens AG weiter arbeiten. „Doch wie lange noch?“ fragt sich nicht nur Wolfgang Fees, Betriebsratsvorsitzender von Siemens-Healthcare Erlangen/Forchheim: „Viele meiner Kolleginnen und Kollegen fragen sich, ob hier womöglich eine Ausgliederung aus der Siemens AG oder sogar ein Börsengang vorbereitet wird.“ Im Falle der Audiologie (S.A.T.), die bereits heute als eigenständiger Bereich unter dem Dach von Siemens Healthcare tätig ist, wird ein solcher Börsengang vom Siemens-Vorstand angestrebt.

Erlangen G trifft es gleich mehrfach

Die Kolleginnen und Kollegen am großen Siemens-Standort Mitte (G) trifft es gleich mehrfach: Sie sind einerseits massiv von der Neustrukturierung und der Auflösung der Sektorebene betroffen, andererseits werden sie mit neuen Portfoliomaßnahmen konfrontiert. So soll nach der Ausgliederung der Post- und Flughafenlogistik (LAS) nun auch der Bereich Metals Technology aus der Siemens AG herausgelöst und in ein Joint Venture mit Mitsubishi-Hitachi überführt werden, an dem Siemens nur noch einen Minderheitsanteil halten und damit die Verantwortung aus der Hand geben würde. Hinzu kommen die ebenfalls am Standort G mit einigen hundert Beschäftigten ansässigen Mobility-Bereiche, deren Zukunft im Falle des vom Siemens-Vorstand aktuell betriebenen Tauschgeschäftes mit Alstom derzeit ungewiss ist. „Siemens steht zu einhundert Prozent in der Verantwortung für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – egal in welchem Bereich sie arbeiten. Und aus dieser Verantwortung werden wir das Unternehmen auch nicht entlassen!“, betont vor diesem Hintergrund Sigrid Heitkamp, Betriebsratsvorsitzende des Standortes Erlangen Mitte (G).

IG Metall fordert Strategie für Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland

Auch andere Siemens-Bereiche, etwa aus dem bisherigen Energy-Geschäft, sind von den Umbau-Maßnahmen und dem Bieterverfahren um Alstom betroffen. Für alle steht dabei vor allem die Frage im Mittelpunkt: Welche Auswirkungen haben die geplanten Maßnahmen auf die Arbeitsplätze? Silvia Heid, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Erlangen, findet in diesem Zusammenhang klare Worte in Richtung des Siemens-CEO: „Wir erwarten von Herrn Kaeser ein eindeutiges, klares Bekenntnis zum Standort Deutschland mit einer nachhaltigen Unternehmensstrategie für Produktion, Forschung und Entwicklung. Wir fordern eine Standort- und Beschäftigungsgarantie für alle Siemens-Beschäftigten!“ An die Beschäftigten, die bislang den Weg in die IG Metall noch nicht gefunden haben, richtet sie ihren Appell: „Klar ist bereits jetzt: Dieser Konzernumbau betrifft alle, ob in der Produktion, im Büro oder in den Führungsetagen. Ein engagiertes Zuschauen reicht daher jetzt nicht mehr aus.“

Neuorganisation darf kein Deckmantel für Stellenabbau werden

Jürgen Wechsler, IG Metall-Bezirksleiter in Bayern, wies darauf hin, dass die Restrukturierungsprogramme der letzten Jahre bei Siemens nicht zum Vorteil der Beschäftigten gelaufen seien. Mit Blick auf die jetzt anstehende Neuorganisation machte er die grundsätzliche Gesprächsbereitschaft der IG Metall deutlich, wenn überflüssige Komplexität reduziert und Siemens künftig wieder stärker als Ganzes auftreten soll. Dafür allerdings gibt es mehrere zwingende Bedingungen: „Die Neuorganisation darf auf keinen Fall als Deckmantel für ein Programm zur Kostensenkung oder zum Stellenabbau missbraucht werden.“ so Wechsler, und weiter: „Das Leitmotiv ‚One Siemens‘ muss für das ganze Unternehmen gelten. So dürfen beispielweise Geschäftsbereiche, die bislang nicht die angestrebten Margenziele erreichen, nicht abgestoßen werden, sondern müssen innerhalb des Unternehmens aus eigener Kraft weiterentwickelt werden.“ Auch Wechsler forderte die Konzernspitze auf, endlich eine mit belastbaren Investitionszusagen und Personalkonzepten untermauerte Deutschlandstrategie vorzulegen.

Kaeser-Häppchen: nur schwer verdaulich…

Eine ganz besondere Aktion im Rahmen der Kundgebung hatten die IG Metaller im Vorfeld noch vorbereitet: Die „Kaeser-Häppchen“, die den Rednern auf einem Tablett serviert wurden. Allerdings hielten sich diese dezent zurück und kommentierten das Angebot: „Solche ‚Kaeser-Häppchen‘ sind momentan nur schwer verdaulich und von daher nicht genießbar.“


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