"Lob ist keine Schande", hatte der erste IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber Anfang April zu dem "Vorwurf" gesagt, die Bundeskanzlerin habe den diesjährigen Tarifabschluss nachdrücklich gewürdigt. In einem weiteren Gespräch nimmt er erneut zum Verhältnis der IG Metall zu Politik und Wirtschaft Stellung, äußert sich aber auch generell zu ihrer politischen Rolle und ihrem demokratischen Fundament.
Kommunikationswege in Politik, Unternehmen und Gesellschaft
Im <link http: www.zeit.de politik deutschland interview-berthold-huber-ig-metall _blank external-link-new-window>Interview mit "Zeit online" sagte Huber auf die Frage, ob die größte Einzelgewerkschaft der Welt einen Vorsitzenden brauche, der über gute Beziehungen zur Kanzlerin und dem Chef der Deutschen Bank verfügt: "Auf jeden Fall braucht die IG Metall keinen Vorsitzenden, der isoliert ist und keine Kommunikationswege in Politik, Unternehmen und Gesellschaft hat." Im Vergleich zur letzten Krise der Metall- und Elektroindustrie verlaufe die Entwicklung heute weniger verheerend, und das sei für die Mitglieder letztlich entscheidend: "Am Ende des Tages zählt, was rauskommt. Bislang haben wir die Krisensituation gut gemeistert." Das heißt jedoch keinesfalls, dass die IG Metall heute handzahm wäre: "Ich sehe keinen generellen Wechsel in der kämpferischen Haltung der IG Metall."
Demokratische Mitgliederorganisation
Zu dieser Haltung gehört es auch, sich nicht von außen in eine Richtung drängen oder gar instrumentalisieren zu lassen, betont Huber: "Ich bin es leid, dass die IG Metall als abstrakte Bastion des Widerstands dargestellt wird. Wir sind eine demokratische Mitgliederorganisation. Der Vorsitzende der IG Metall kann nur machen, was die Mitglieder bereit sind zu tun. Wir können und wollen nicht einfach aus Frankfurt etwas anordnen. Ich bin ein glühender Vertreter von erweiterter Mitsprache und Mitbestimmung."
Das gesamte Spektrum der gesellschaftlichen und politischen Einflussnahme nutzen
Einen Widerspruch zur Gesellschaftskritik, wie sie der IG Metall-Vorsitzende in seinem soeben erschienenen Buch formuliert, weist er von sich. Auch hier gilt in erster Linie, dass ihre demokratische Struktur die Richtung der IG Metall entscheidet: "Die Willensbildung in der IG Metall läuft von unten nach oben. [...] Wir nutzen das gesamte Spektrum der gesellschaftlichen und politischen Einflussnahme. Deshalb schließe ich nicht aus, wenn morgen wieder ein marktradikaler Kurs in dieser Gesellschaft eingeschlagen wird, dass andere Instrumente im Vordergrund stehen."
Entschieden hat die Politik, aber die Grundsätze kamen von uns
Einer der Gründe, warum immer wieder mehr oder weniger provoaktiv nach der aktuellen Rolle der IG Metall gefragt wird, ist ihre in der Krise gewachsene Bedeutung. "Zeit online" spricht in diesem Zusammenhang von einer "Renaissance der Gewerkschaften"; Huber führt ihren steigenden Einfluss vor allem auf das konkrete Vorgehen in der Krise zurück: "Ich glaube, dass wir am weitesten gegangen sind. Die Umwelt-Prämie ist auf unseren Mist gewachsen. Wir haben auch die Verlängerung der Kurzarbeit angeschoben. Entschieden hat die Politik, aber die Grundsätze kamen von uns."
Industriesubstanz schützen
Die nicht verstummende Kritik der "Abwrackprämie" als "Strohfeuer" bezeichnet Huber als "dummes Geschwätz" und erklärt: "Es drohte doch der Binnenabsatz und der Export dramatisch abzustürzen. Wir haben die Binnennachfrage angekurbelt und den völligen Absturz verhindert. [...] Ihnen ist anscheinend die volkswirtschaftliche Bedeutung der Automobilindustrie für die Wertschöpfung nicht hinreichend klar. [...] Wir dürfen eine Industrie mit den meisten Patenten nicht hergeben, so wie wir die ganze Elektronikindustrie verloren haben."
» zum vollständigen <link http: www.zeit.de politik deutschland interview-berthold-huber-ig-metall _blank external-link-new-window>Interview mit "Zeit online"