50 Tage nach Bekanntwerden der ersten Kahlschlagsgerüchte ist kein Nachlassen des Drucks auf Siemens erkennbar. Im Gegenteil – in den betroffenen Betrieben und dem gesamten Unternehmen wächst das Unverständnis ebenso wie in Öffentlichkeit und Politik.
Besinnlicher Protest
In Görlitz und Erfurt kam und kommt es weiter zu Aktionen, deren breites Spektrum die Kreativität der Siemens-Beschäftigten bestätigt. So gingen im Görlitzer Werk am sechsten Dezember für fünf Minuten die Lichter aus, um am Todestag von Werner von Siemens († 6.12.1892) eindringlich zu mahnen: "Wenn der Standort Görlitz geschlossen wird, stirbt Werner von Siemens für uns zum zweiten Mal." Bis Weihnachten planen die Görlitzer noch weitere Aktionen, darunter ein "Adventssingen" für den Siemens-Vorstand auf dem Wittelsbacherplatz in München.
Erfurt hat die Hosen an
Ebenfalls am Nikolaustag zogen die Beschäftigten des Erfurter Generatorenwerks aus einer Betriebsversammlung heraus vor das Werk, wo sie aus über 400 Arbeitsanzügen eine dauerhafte symbolische Menschenkette um das Werksgelände bildeten. An der Kundgebung vor dem Werkstor nahmen unter anderem Vertreter mehrerer Landtagsfraktionen sowie der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein teil. Solidarische Grüße und Unterstützungsangebote für den Erhalt des Standortes kamen außerdem von Belegschaften einer ganzen Reihe anderer Betriebe der Region.
Diskussion mit Eigendynamik
Fast unverhofft geht parallel die öffentlich geführte politische Diskussion um die Grundsatzfrage weiter, ob ein Konzern trotz satter Gewinne Arbeitsplätze und Existenzen für weiteren Profit zur Disposition stellen darf. Spätestens seit der aktuellen Stunde zu Siemens im Bundestag hat diese Diskussion eine Eigendynamik entwickelt, mit der ursprünglich kaum zu rechnen war. Die Ankündigung von General Electric, ebenfalls tausende Stellen unter anderem in Berlin abzubauen, hat dies zusätzlich verstärkt.
Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz
Ein Zeichen dafür ist der – einstimmige! – Beschluss der deutschen Arbeits- und Sozialministerkonferenz vom 6./7. Dezember (siehe zum Download). Die Minister drücken darin ihre Sorge über Siemens' Pläne aus, verweisen auf die "hervorragenden betrieblichen Rahmendaten" und fordern die Geschäftsführung eindringlich auf, "im Sinne der Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung nach Alternativen zu Werksschließungen und Personalabbau zu suchen".
In die selbe Richtung appellierte erneute Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und verwies auf milliardenschwere Förderungen, von denen Siemens in der Vergangenheit profitiert hat: "Siemens hat zahlreiche staatliche Mittel und politische Flankierung für das Auslandsgeschäft zur Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit von der Bundesregierung bekommen. Die so verbesserten Marktchancen sollten dann aber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu Gute kommen."