Siemens Dialog
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16.04.2024, 08:04 Uhr

Erfurt: Betriebsrat mit Alternativkonzept

  • 23.03.2015
  • Operativ

An Siemens' Energiestandorten herrscht angesichts der im Raum stehenden Abbaupläne verständlicherweise Unruhe. Ganz im Sinne ihres Konzepts "Siemens 2020" beschränken sich Betriebsräte und IG Metall aber weder auf Abwarten, noch auf reinen Protest. Sie arbeiten an konstruktiven Alternativen - Beispiel Erfurt.

"Ich bin abgebaut": leere Stühle zeigen die Auswirkungen der geplanten Schrumpfkur.

Landespolitik will unterstützen

Neben Mülheim, wo sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kürzlich vor Ort über die Lage in Siemens' Energiesparte informierten, hat Anfang März auch in Erfurt die Landespolitik einen Eindruck von Engagement, Kompetenz und Ideenreichtum der Arbeitnehmerseite bekommen.

Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee besuchte das Generatorenwerk und sprach ausführlich mit dem Betriebsrat, der ihm sein Produktionskonzept als Alternative zu den Plänen der Firmenseite vorstellte. Tiefensee zeigte sich in Anwesenheit von Siemens-Vorstand Siegfried Russwurm und dem 1. Bevollmächtigten der Erfurter IG Metall Bernd Spitzbarth beeindruckt von den Ideeen des Betriebsrates und sagte die bestmögliche Unterstützung des Landes bei dem Ziel zu, Siemens in Erfurt zukunftsfest zu machen.

Weiter mit der gesamten Belegschaft

Diese Absicht bestätigten bei einem weiteren Betriebsbesuch auch die Thüringer Arbeits- und Sozialministerin Heike Werner sowie die Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow. Werner verwies auf den beschäftigungspolitischen Aspekt und nahm in diesem Zusammenhang ausdrücklich Siemens in die Pflicht: "Siemens muss seiner sozialen Verantwortung für die Beschäftigten nachkommen und einen Zukunftsplan für den Standort Erfurt vorlegen. Deshalb muss die Frage lauten: 'Wie kann es bei Siemens mit der gesamten Belegschaft weitergehen?' und nicht: 'Wie bauen wir sozialverträglich ab?'"

Erfurt hat Zukunft

Eine tragfähige Alternativen zum Stellenabbau ist das Konzept, das der Betriebsrat im Sinne der konkreten Umsetzung des Arbeitnehmeransatzes "Siemens 2020" entwickelt hat. Dabei geht es nicht etwa darum, einem anderen Standort etwas weg zu nehmen, sondern darum, neue innovative Produkte zu entwickeln und unter dem Aspekt Industrie 4.0 konkurrenzfähig zu gestalten. Der Betriebsratsvorsitzende Mario In der Au betont: "Siemens hat in Erfurt eine Zukunft. Man muss uns nur eine Chance geben. Die Erfurter Belegschaft hat Ende der 90er Jahre schon einmal gezeigt, wie mit neuen Produkten neue Märkte erschlossen werden können und der Weg aus der Krise gefunden werden kann. Dieses Potenzial, die Kompetenzen und die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt einfach zu verschleudern, wäre betriebswirtschaftlich unsinnig."

Innovative Lösungen statt Abbau

Gegenüber dem Siemens Dialog schilderte Mario In der Au den Standpunkt von Betriebsrat, Belegschaft und IG Metall, der sich auch bei einer Mitarbeiterveranstaltung zum Programm "1 by 16" am 5. März bestätigte: "Aus unserer Sicht findet eine erneute Überschneidung der Zahlen zu 1 by 16 mit dem zuvor angekündigten Abbau von 150 Arbeitsplätzen statt. Wenn man diesem Szenario folgen würde, würden ganze Abteilungen handlungsunfähig."

Der Betriebsrat und die Beschäftigten sind fest entschlossen, diese gefährliche Entwicklung zu verhindern: "Das nehmen die Beschäftigten des Standortes nicht mehr hin. Mit der Rasenmähermethode den Personalabbau zu betreiben, ist der falsche Ansatz. Wir erwarten vom Management klare Signale, wie wir gemeinsam neue Wege für mehr Volumen in den Standorten gehen können. Wir benötigen innovative und nachhaltige Lösungen!"

Dialog statt einseitiger Entscheidungen

Wie verheerend sich der Abbau auswirken würde, demonstrierten die Beschäftigten auf der Versammlung, indem sie 170 leere Stühle mit dem Hinweis "Ich bin abgebaut" versahen. In der Au erklärt: "Damit zeigen wir die Folgen des kurzfristigen Handelns des Managements. Wir fordern einen Dialog mit dem Betriebsrat und der IG Metall, und zwar nicht nach dem Schema "Wir reden, aber bauen trotzdem ab'. Wir verstehen unter einem Dialog ein Standortkonzept mit uns allen." Dazu ist offenbar weitere Überzeugungsarbeit nötig: Der Betriebsrat kritisiert, dass die Firmenseite Einwände und Argumente Betriebsrat und Belegschaft stellenweise einfach ignoriert und statt der Suche nach Alternativen den Abbau in den Vordergrund stellt.