Siemens Dialog
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15.05.2024, 13:05 Uhr

Fluchtreflex bei Infineon

  • 13.11.2008
  • Allgemein

Die Tinte auf der Baden-Württemberger Pilotvereinbarung war noch nicht ganz trocken, da reagierte der Vorstand von Infineon. Und zwar mit der ganz großen Keule: Am Mittwoch Abend gab er völlig überraschend seinen Austritt aus dem Arbeitgeberverband bekannt. Ein klassischer Fall von Tarifflucht mitsamt hanebüchener Begründung, und natürlich auf dem Rücken der Beschäftigten.

"Keine Gehaltserhöhung"

Infineon sieht sich außer Stande, die am Mittwoch vereinbarte Tariferhöhung (Details siehe "Ordentliches Ergebnis in historisch schwieriger Lage") zu zahlen. Das ließ Arbeitsdirektor und Finanzchef Marco Schröter die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per Mail wissen, und: "In meiner Funktion als Arbeitsdirektor von Infineon und im Namen meiner Vorstandskollegen bitte ich Sie, diese Maßnahme konstruktiv aufzunehmen und kollegial mitzutragen. [...] Damit wird es im laufenden Geschäftsjahr für die Tarifmitarbeiter keine Gehaltserhöhung geben."

Diese Aussichten "kollegial mitzutragen" dürfte den meisten der auf diese Weise abgefertigten Beschäftigten schwerfallen; da hilft auch die Begründung des radikalen Schritts mit abgegriffenen Standardargumenten wenig: Sparzwang, Flexibilität, weltweiter Wettbewerb, all das täuscht nicht darüber hinweg, dass Infineon beabsichtigt, in Zukunft mangelnde Management-Leistung mit Geld aus den Taschen der MitarbeiterInnen zu kompensieren.

Sparwut statt Konzept

Die seit langer Zeit unbefriedigende Situation des Unternehmens, darin sind sich die Experten einig, rührt keineswegs aus in diesem Zusammenhang eher marginalen Standortfaktoren wie eben der Tarifbindung. Sie geht auf die Unfähigkeit der Unternehmensführung zurück, Infineon mit einem klaren strategischen Konzept auszurichten. Das Ergebnis ist der Schlingerkurs, der nach außen unter anderem durch ungeplante Umbesetzungen in der Chefetage sichtbar wird; die reflexartige Reaktion, wieder und wieder mit verstärkter Kraft an der Sparschraube zu drehen, ist weniger eine konstruktive Führungsmaßnahme als ein Zeichen unternehmerischer Hilflosigkeit.

"Beispiellose Kette von Managementfehlern"

Werner Neugebauer, Bezirksleiter der IG Metall Bayern, fasste die Position der Arbeitnehmerseite noch am Mittwoch Abend in einer ersten Reaktion zusammen: "Infineon ist durch eine beispiellose Kette von Managementfehlern in die Krise geführt worden. Ausbaden sollen dieses Versagen des Managements jetzt zum wiederholten Mal die Beschäftigten. Das zeigt, welch' Geistes Kind das Management bei Infineon ist."