Siemens Dialog
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17.05.2024, 08:05 Uhr

Offshoring: Übergang zur Normalität?

  • 11.10.2007
  • Allgemein

Der Verlagerungsboom zu Beginn des Jahrzehnts ist längst einer pragmatischeren Sichtweise gewichen. Auch auf der Arbeitgeberseite setzen sich zunehmend Ansichten durch, die anfangs in der unternehmerischen Praxis kaum eine Rolle spielten. Verlagerung lohnt sich demnach nur unter ganz bestimmten Bedingungen, die sorgfältig kalkuliert sein wollen.

Die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland hat sich in den vergangenen Jahren für viele Firmen schlicht nicht gelohnt - zu diesem Schluss kommt Michael Hüther, Direktor des von Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden getragenen Instituts der Deutschen Wirtschaft (<link http: www.iwkoeln.de _blank>IW). Die Begründung des streng marktwirtschaftlich orientierten Instituts erinnert bemerkenswert an die Argumentation, mit der warnende Stimmen vor einigen Jahren den Verlagerungsenthusiasmus zu dämpfen versuchten: "Mittel- und langfristig sind nicht nur die Kostenstrukturen wichtig. Schon der Koordinierungsaufwand ist enorm. Wenn Sie das nicht im Griff haben, muss der Kostenvorteil schon riesig sein."

Nun ist auch die Unternehmensseite zu dem Schluss gekommen, dass sich mit Offshoring ohne Wenn und Aber unter dem Strich nicht automatisch Kostenvorteile einstellen, gestützt von wissenschaftlichen Analysen: Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (<link http: www.isi.fraunhofer.de _blank>ISI) stellt fest, dass jede vierte bis fünfte Firma ins Ausland verschobene Arbeitsplätze meist innerhalb der ersten beiden Jahre ernüchtert wieder zurückholt; in nur zwei beobachteten Jahren kamen allein in der Metall- und Elektroindustrie 1.200 Firmen zurück. Das Institut warnt: "Insbesondere kostenorientierte Verlagerungsstrategien werden häufig nicht bis zum Ende durchkalkuliert."

Expansion ins  Ausland hält an

Dennoch sind sich die Experten einig, dass deutsche Unternehmen weiter Arbeitsplätze im Ausland schaffen werden - aber auch, dass dadurch Arbeit in Deutschland gesichert wird. Zwar folgt die Produktion den Märkten, zumal, wenn es um Fertigung mit hohem Lohnkostenanteil geht. Die vergangenen Jahre jedoch haben gezeigt, wie oft sich die Verlagerung nicht lohnt, denn "das Verhältnis von Qualität zu Lohnkosten entwickelt sich oft negativ", warnt Christian Veith von <link http: www.bcg.de bcg index.jsp _blank>Boston Consulting. Mit anderen Worten: Während die Löhne auch in den Niedriglohnländern allmählich steigen, gibt es nach wie vor Klagen in Sachen Qualität und Produktivität.

Nicht billig, aber wettbewerbsfähig

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (<link http: www.vdma.org wps portal home _blank>VDMA) konstatiert folgerichtig eine wachsende Rückkehr nach Deutschland, wo man die hohe Qualität und das industrielle Netzwerk schätzt: "Es gibt ein neues Selbstbewusstsein in den Betrieben: Wir können hier nicht billig, aber wettbewerbsfähig produzieren", so Chefökonom Ralph Wiechers.

Das bestätigt übrigens auch Alt-Bundespräsident Roman Herzog, <link http: www.romanherzoginstitut.de home _blank>dessen Institut laut Selbstdarstellung im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft die Positionen bayerischer Arbeitgeberverbände "kritisch hinterfragt": "Es gibt Beispiele, dass Leute mit Begeisterung nach Osteuropa gegangen sind und jetzt zurückkommen, weil sie feststellen, dass die Produktivität dort geringer ist."