Siemens Dialog
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17.05.2024, 11:05 Uhr

Rückzug aus der Fürsorge?

  • 11.09.2008
  • Allgemein

Schon seit rund 90 Jahren engagiert sich Siemens für seine Beschäftigten unter anderem mit der Bereitstellung konzerneigener Wohnungen. Der Konzentrations- und Sparkurs soll das nun ändern: Bundesweit sollen rund 4.000 Wohnungen verkauft werden. Arbeitnehmerverteter und Betroffene protestieren.

Siemens-Wohnungen im Erlangen der fünfziger Jahre.

Noch im Juni präsentierte die Siemens Wohnungsgesellschaft mbH mit berechtigtem Stolz die Neueröffnung eines Kindergartens für Siemens-Beschäftigte in München - Teil der Bemühungen um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter dem Dach von 'Promoting Diversity' (siehe Dicke Backen bei Siegfried Russwurm).

Gemeinsam gegen den Verkauf

Dass nun zeitnah an anderer Stelle ein ebenso wichtiger Aspekt dieser Bemühungen unter die Räder der Konzentration auf Kerngeschäft- und -kompetenzen zu geraten droht, kann eigentlich kaum im Sinne der Unternehmens sein. Für die in vielen Bereichen händeringend und mit allen erdenklichen Mitteln gesuchten Fachkräfte jedenfalls wird man mit diesem Schritt gewiss nicht attraktiver; das Angebot bezahlbarer Wohnungen ist eine soziale Leistung für die Mitarbeiter und damit ein hochwertiger Standortfaktor, wie der erste Bevollmächtigte der IG Metall Erlangen, Wolfang Niclas, erläutert.

Betriebsräte, Vertrauensleute und die IG Metall in Erlangen, wo allein rund 2.300 Wohnungen dem Rotstift zum Opfer fallen sollen, stellen sich daher derzeit gegen die Verkaufspläne. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen anderer betroffener Standorte und natürlich betroffenen Mietern plädieren sie für den Verbleib der Immobilien bei Siemens. Eine entsprechende Resolution (siehe Download) wurde bereits am 20. August verabschiedet, seitdem laufen Unterschriftensammlungen für den Erhalt dieser Einrichtung.

Börsendenken versus traditionelle Stärken

Hinter den Verkaufsabsichten - die Rede ist von einem externen Investor - vermuten nicht nur die Erlanger in ihrer Resolution die "kurzsichtige und börsen- und quartalsorientierte Denkweise nach angloamerikanischem Vorbild". Diese Denkweise, so ihre Einschätzung, hat schon zu oft "die in über 125 Jahren entwickelten Stärken der Siemens AG beschädigt." Überdurchschnittliche Fürsorge für die Mitarbeiter ist zweifellos eine derartige Stärke, die sich in der Bindung ans Unternehmen und letztlich der Motivation bezahlt macht; wohl nicht von ungefähr führt das Erlanger Siemens-Forum in seiner <link http: w4.siemens.de siemensforum sf_erlangen ueber_hist.htm _blank external-link-new-window>undefinedHistorie stolz den Baubeginn der ersten Siemens-Wohnungen in der Stadt schon 1947 auf.

Um ein erneutes Zurückdrängen dieser traditionellen Stärken zu verhindern, fordern die Arbeitnehmervertreter daher, den Verkauf der Wohnungen zu stoppen. An Beschäftigte und insbesondere die Mieter appellieren sie, sich an der Unterschriftenaktion für den Erhalt der Firmenwohnungen bei der Siemens AG in Deutschland zu beteiligen.