Siemens Dialog
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19.05.2024, 18:05 Uhr

Vogt electronic entlässt in Deutschland

  • 08.11.2002
  • Konzern

Produktion soll ins Ausland verlagert werden

Belegschaft und Betriebsräte der Vogt Gruppe waren gleichermaßen entsetzt, als der Geschäftsführer der Vogt-Produktions GmbH in Erlau, Walter Sommer, das lange im Dunkeln ausgebrütete Ei endlich legte: 200 Entlassungen, 150 MitarbeiterInnen sollen in eine eigenständige GmbH ausgegliedert werden und weitere 50 Mitarbeiter will man komplett samt Aufgabengebiet an Dritte verkaufen. Das war die niederschmetternde Bilanz der Betriebsversammlung in Erlau bei Passau. Über das Ausmaß der Entlassungen hatte die Geschäftsleitung vorher auch den Betriebsrat nicht informiert, doch der zeigt sich jetzt erst recht kämpferisch - und weist auf die schwerwiegenden Fehler im Management der Vogt AG hin. Die (späte) Strategie der Konzernleitung lautet: Verlagerung der Produktion ins Ausland. Die Zahl der Mitarbeiter weltweit soll in etwa gleich bleiben (5200). Der Konzernbetriebsrat kämpft deshalb um den Erhalt der Arbeitsplätze an den Standorten in Deutschland (zum Beispiel basierend auf einem Sanierungstarifvertrag mit weniger Arbeitszeit und geringerem Lohn) und appelliert sogar an Banken und Investoren, Vogt in der jetzigen schwierigen Situation zu helfen.

 

In einer Stellungnahme, die Konzernbetriebsrat und Europabetriebsrat der Vogt electronic AG Ende Oktober einstimmig beschlossen haben, verweisen die Arbeitnehmervertretungen darauf, dass Vogt jahrelang ein Umsatzwachstum über den Zukauf kompletter Firmen realisiert hat. Dazu gehörte auch das Siemens-HighCom-Werk in Witten, das allerdings nicht vom augenblicklichen Stellenabbau betroffen ist. Die Auftragslage für die Produktion in Witten ist hervorragend - während die KollegInnen in Miesau oder Berlin Hoppegarten um ihre Stellen bangen. Diese beiden Standorte sollen ganz geschlossen werden, anderen Werken (Erlau bei Passau, Niederwaldkirchen in Österreich) drohen Massenentlassungen.

Das Werk in Berlin Hoppegarten war übrigens als Tochtergesellschaft der DeTeWe (mit ca. 350 MitarbeiterInnen) erst im Juni 2002 an die Vogt electronic Witten gegangen. Miesau gehörte bis 1995 zu Grundig.

800 Arbeitsplätze sollen laut Restrukturierungsplan der Unternehmensberatung Roland Berger in Ausland verlegt werden. 700 Kündigungen wurden bereits ausgesprochen, doch die Kommunikationspolitik der Geschäftsführung über geplante Restrukturierungen ist dürftig. Deshalb fordern die Betriebsräte „Eine Zukunft für die Arbeitsplätze der Vogt Gruppe“, und zwar in folgendem Wortlaut:

 

„Eine wirtschaftliche Gesundung ist möglich. Dies bedingt jedoch, dass

 

* personelle Konsequenzen beim Vorstand gezogen werden

* es auf der Ebene der einzelnen Standorte ermöglicht wird, über Vorschläge zur Sicherung von Arbeitsplätzen zumindest zu reden

* Sich die Konzernleitung und die Geschäftsführungen an die gesetzlichen Regeln für die Einbeziehung der Arbeitnehmervertretungen halten.“

 

Und wenn man sogar solche „basics“ erst einfordern muss, kann man sich vorstellen, wie die Betriebsräte bei den Vorständen des börsennotierten Unternehmens auf der Suche nach Informationen im Trüben fischen. Es ist also zu befürchten, dass die Produktion von Leiterplatten, induktiven Bauelementen sowie elektronischen Baugruppen mehr und mehr ins Ausland verlagert wird. Schon jetzt ist Vogt electronic in Mexiko, China, Rumänien und Slowenien tätig.

 

(rh)