Siemens Dialog
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17.05.2024, 08:05 Uhr

Vorhersehbarer Schiffbruch

  • 22.03.2007
  • Konzern

Was Siemens stets als Grund herhalten musste, warum man das Handy-Geschäft aufgebe, bekam das Management nun bestätigt: Der BenQ-Insolvenzverwalter kritisierte am Mittwoch die Führung unter Siemens und BenQ. Die Gläubiger sitzen auf Forderungen von rund 1,2 Milliarden Euro; wieviel davon am Ende ausgezahlt werden wird, ist ungewiss.

Insolvenzverwalter Martin Prager erklärte am Mittwoch vor über 400 Gläubigern beziehungsweise deren Vertretern in München, rund 4.350 von ihnen hätten bislang insgesamt Forderungen in Höhe von etwa 1,2 Milliarden Euro geltend gemacht. Das vorsichtig errechnete verfügbare Vermögen hingegen beläuft sich auf nur rund 300 Millionen Euro. Geprellt sind bekanntlich unter anderem die über 3.000 ehemaligen Beschäftigten, denen BenQ Mobile unter dem Strich noch rund 27 Millionen Euro an Gehältern, Renten und anderen Verbindlichkeiten schuldet.

Seltsame Geldströme Richtung Taiwan

Zusätzlich werden der Ärger und die Enttäuschung der Gläubiger durch die Information Pragers angeheizt, es habe vor der Pleite Ende September 2006 "deutliche Vermögensverschiebungen" von der deutschen Tochter zur taiwanesischen Mutter gegeben. Damit erhält der Verdacht neue Nahrung, Opfer eines von vornherein abzusehenden Schiffbruchs zu sein. Der Insolvenzverwalter will nun versuchen, auf dem Rechtsweg wegen "Eigenkapitalentnahme" und "existenzgefährdender Eingriffe" 504 Millionen Euro aus Taipeh einzutreiben; die Erfolgsaussichten eines voraussichtlich langwierigen Rechtsstreits sind ungewiss, zumal BenQ selbst mit wachsenden Schwierigkeiten ringt.

Kunden "nicht auf dem Radarschirm"

Sowohl Siemens, wo Prager ebenfalls gern rund 100 Millionen Euro Verbindlichkeiten eintreiben würde, als auch BenQ mussten sich von ihm herbe Vorhaltungen hinsichtlich ihres Managements anhören. Siemens habe "bei diesem Markengeschäft das Markengespür gefehlt", man habe schlicht und ergreifend "den Endkunden nicht auf dem Radarschirm" gehabt. BenQ habe sich seinerseits überschätzt und mit dem Deal völlig übernommen; die Insolvenz als Notbremse, bevor das Mutterunternehmen selbst zu stark ins Schlingern geriet, stuft er entsprechend  als "Kurzschlusshandlung" ein. Indiz dafür ist offenbar unter anderem die Buchhaltung, die in einem solch schlechten Zustand war, dass ihre Aufarbeitung auch jetzt, Monate nach dem Einzug des Insolvenzverwalters, noch nicht vollständig abgeschlossen ist.

Bitterer Nachgeschmack

Für die früheren Siemens-MitarbeiterInnen gibt es also wenig Grund zur Nachsicht. Siemens bleibt für viele von ihnen trotz der unbestrittenen und noch anhaltenden Bemühungen, die Folgen der Pleite etwas abzumildern, ursprünglicher Verursacher der Misere; der kurze Anschluss mit BenQ erweist sich im Nachhinein immer mehr als von Anfang an zum Scheitern verurteiltes Abenteuer.