Siemens Dialog
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08.05.2024, 09:05 Uhr

Widerspruch gegen 23 betriebsbedingte Kündigungen

  • 24.06.2003
  • Konzern

ICN: Kollektive Absenkung der Arbeitszeit um 2,5 Stunden rettet 350 Arbeitsplätze

Der Betriebsrat am Standort München Hofmannstraße hat allen 23 betriebsbedingten Kündigungen widersprochen, die die ICN Personalleitung beim Betriebsrat eingereicht hat. Die Gründe für die Widersprüche sind für jeden Fall individuell formuliert. Grundtenor aber ist, dass die soziale Auswahl nicht beachtet wurde. Zur zweiten Kündigungswelle am Standort äußert sich der BR-Vorsitzende Heribert Fieber im Augenblick am liebsten ironisch: „Im Herausfinden der falschen Mitarbeiter nutzt Siemens seine Kompetenz.“

 

Auch wenn bei dieser Kündigungswelle von Firmenseite „nur“ 23 konkrete Kündigungsbegehren eingereicht wurden, haben trotzdem rund 170 Siemens-Mitarbeiter in den letzten Wochen „Blaue Briefe“ erhalten, in denen ihnen mitgeteilt wurde, dass das Unternehmen sich von ihnen trennen wolle. Von der neuen Personalreduktion sind diesmal besonders viele Dienststellenleiter und Abteilungsleiter betroffen.

 

Auch Jubilare sollen die Firma verlassen: Auf sie kommt jetzt entweder die Versetzung auf einen Alternativ-Arbeitsplatz, das Angebot einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben und im schlimmsten Fall auch psychischer Druck durch Mobbing zu.

 

Der Großteil der 170 angeschriebenen Mitarbeiter befindet sich seit 1. Juni in der Beschäftigungseinheit „beE“. „Das ist eine eine zeitverzögerte Kündigung, keine Lösung. Kollegen, die in der beE nach 14 Monaten plus X keinen neuen Job gefunden haben, sind auch arbeitslos“, informiert das NCI-Netzwerk zur aktuellen Situation. Die bisherigen Erfahrungen der Betroffenen mit der beE sehen leider ernüchternd aus: Von den 130 seit Januar vermittelten Siemens-Mitarbeitern haben fast alle ihren neuen Arbeitsplatz durch Eigeninitiative erhalten.

 

Dass die Firmenleitung beim aktuellen Personalabbau ihr Konzept „Verjüngung des Betriebes“ stur weitergeführt hat, wieder ohne die Sozialauswahl zu beachten, ärgert die Mitglieder der Selbsthilfe-Organisation für gekündigte Mitarbeiter aus der Hofmannstraße (NCI) am meisten: „Nach § 1 des Kündigungsschutzgesetzes können wir das nicht akzeptieren. Und vor Gericht fahren wir gut. Die Betroffenen führen Weiterbeschäftigungsprozesse, die wir bis jetzt alle gewonnen haben“.

 

Um den stetigen Personalabbau zu stoppen - und 350 Arbeitsplätze im kriselnden Geschäftsbereich ICN zu sichern - hat der Betriebsrat am Siemens Standort München Hofmannstraße im Juni einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitabsenkung um 2,5 Stunden pro Woche zugestimmt. Eine weitreichende Maßnahme: Denn die Arbeitszeit-Absenkung gilt für alle Vollzeitmitarbeiter (Angestellte und ÜT´s) im Bereich ICN am Standort Hofmannstraße und gilt für zwei Jahre. Da die betroffenen Mitarbeiter auch auf Gehalt verzichten, kann der Geschäftsbereich Personalkosten sparen. Laut offiziellen Siemens-Angaben spart ICN durch die kollektive Absenkung der Arbeitszeit in Zukunft 2,5 Millionen Euro im Monat ein. Gleichzeitig wird der praktische Beweis erbracht, dass Arbeitszeitverkürzung Arbeitsplätze sichert. Das sollte den Arbeitgebern - auch in Ostdeutschland - ins Stammbuch geschrieben werden.

 

 

(ems)