Siemens Dialog
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10.05.2024, 23:05 Uhr

"Dauerbaustelle" Verlagerungen

  • 16.05.2006
  • Allgemein

BSH, Infineon, AEG, CNH - immer mehr Belegschaften wehren sich mit Streiks um Sozialtarifverträge gegen verlagerungsbedingte Schließungen. Das Ziel: die Kosten einer Verlagerung so in die Höhe zu treiben, dass sie nicht lohnt. Die IG Metall fordert eine "Verlagerungsabgabe."

Der Beirat der IG Metall forderte schon im März, eine "Verlagerungsabgabe" zu erheben, mit der sich Unternehmen an den gesellschaftlichen Folgekosten von Verlagerungen beteiligen. Eine entsprechende Auffoderunge richtete er an die Bundesregierung, die sich in der Person von Wirtschaftsminister Michael Glos bereits im Europäischen Ministerrat dafür stark macht, zumindest Subventionen für Verlagerungen in die osteuropäischen Beitrittsländer zu unterbinden. Eine Ende April verbreitete Meldung, die EU-Kommission werde solche Subventionen verbieten, wurde allerdings Anfang Mai dementiert. Dennoch stellte selbst das Europäische Parlament offiziell fest, die Drohung mit Verlagerungen sei derzeit für etliche Unternehmen ein Instrument, Druck auf Einkommen und Arbeitsbedingungen auszuüben.

Eine Verlagerungs- oder Ausgleichsabgabe sollte nach Ansicht der IG Metall

 + die Beteiligung der Unternehmen an den gesellschaftlichen Kosten der Verlagerung und die Entschädigung der "Verlagerungsverlierer" sicherstellen,

 + nicht auf Sozialplan- und Interessenausgleichsleistungen angerechnet werden und vor allem für überbetriebliche Arbeits- und Beschäftigungsförderungsmaßnahmen zur Verfügung stehen,

 + mit lokalen, regionalen und arbeitsmarktpolitischen Fördermitteln kombiniert und für Schaffung neuer Beschäftigung, Qualifizierung sowie Mitfinanzierung überbetrieblicher Beschäftigungsgesellschaften und regionaler Entwicklungskonzepte eingesetzt werden, und

 + sich an den gesellschaftlichen Kosten der Arbeitslosigkeit und denen für Beschäftigungsgesellschaften orientieren.

Im Betrieb ist diese grundsätzliche politische Forderung allerdings derzeit noch keine Hilfe, konkrete Handlungsmöglichkeiten sind gefragt. Unternehmen argumentieren in der Regel mit Lohnkosten- und Steuervorteilen; wie der aktuelle Vertrauensleute-Newsletter des IG Metall-Vorstandsbereichs Betriebs- und Mitbestimmungspolitik unter dem Stichwort "Dauerbaustelle Produktionsverlagerung" erläutert, sollten Arbeitnehmervertreter dagegen die Vollkostenrechnung eines Sachverständigen (§ 80.3 BetrVG) verlangen - wie es auch im Hause Siemens bisweilen schon im Frühstadium von Verlagerungsplänen zum Einlenken geführt hat. Diese Rechnung nämlich nennt auch die versteckten Kosten einer Verlagerung beim Namen: Risikozuschläge, Sozialpläne, Währungsabsicherung, Kommunikationsaufwand, Qualitätssicherungs- Maßnahmen und dergleichen.

Unter dem Strich einer solchen Rechnung kann oft das Ergebnis stehen, dass Verlagerung oder Outsourcing nicht lohnen. Was passiert, wenn die versteckten Kosten bei der Planung nicht berücksichtigt werden, zeigt eine Studie des Fraunhofer-Instituts, nach der fünf Verlagerungsprojekten eine Rückverlagerung gegenübersteht, mit anderen Worten: 20 Prozent der Verlagerungen erweisen sich als Fehler.