Siemens Dialog
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04.05.2024, 07:05 Uhr

Fachkräftemangel "hochkritisch"

  • 27.06.2007
  • Allgemein

Ohne Wut im Bauch verlässt nach eigenem Bekunden Klaus Kleinfeld in wenigen Tagen Siemens. Den Konzern sieht er "exzellent gerüstet für die Zukunft." Sorge bereitet ihm, wie in jüngerer Zeit vielen seiner Managerkollegen, eher der wachsende Mangel an hochqualifizierten Fachleuten - nicht nur bei Siemens.

Entscheidend sei aus seiner Sicht, so Kleinfeld zu Wochenbeginn gegenüber der "Bild", dass Siemens heute erheblich besser dastehe als bei seiner Amtsübernahme. Der Abschied von Siemens sei für ihn zwar schmerzhaft, dennoch gehe er nicht mit Wut im Bauch. Was seine eigene berufliche Zukunft betrifft, macht er sich verständlicherweise weniger Sorgen als mancher andere ehemalige Siemens-Beschäftigte: "Es sind eine ganze Reihe von Menschen mit interessanten Ideen auf mich zugekommen. Diese Angebote werde ich mir sehr genau ansehen und mich auch mit meiner Familie darüber intensiv besprechen."

"Echtes Hemmnis"

Als eines der größten aktuellen Probleme für die deutsche Wirtschaft bewertet Kleinfeld den Mangel an Fachkräften: "Das ist hochkritisch und ein echtes Hemmnis für den Aufschwung. [...] Das geht nicht nur uns so. Im Mittelstand ist die Situation noch dramatischer."

Siemens verzeichnet derzeit 3.000 offene Stellen in Deutschland, für deren Besetzung man auch zu ungewöhnlichen Mitteln greift. Zuletzt bot ein Prämienprogramm Beschäftigten 3.000 Euro für die Vermittlung hochqualifizierten Personals insbesondere in der Kraftwerksparte (siehe Prämien für Personalvermittlung); gleichzeitig wird die Suche zunehmend auf das Ausland ausgedehnt.

Unübersehbar ist Siemens nicht allein mit diesem Problem. Vom ITK-Branchenverband BITKOM über den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bis hin zum Institut der deutschen Wirtschaft tönen warnende Stimmen, und auch die Politik hat das Thema längst entdeckt.

Dass trotz der Klagen der weit verbreitete, stete Druck zu Personalreduzierungen nicht spürbar sinkt, ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Zum einen ändert der Ruf nach mehr Spezialisten nichts am Trend, auf Biegen und Brechen Kosten zu reduzieren; zum anderen handelt es sich bei den gesuchten Fachkräften überwiegend um hochspezialisierte Experten, deren Fehlen am Arbeitsmarkt vor allem bildungspolitische und demografische Hintergründe hat.

"Großer Erfolg"?

Auch die nun händeringend nach Lösungen rufenden Unternehmen sind nicht ganz unschuldig an der Situation: Oft hat man das Umsetzen absehbarer Trends in der Ausbildung hinausgeschoben oder verdrängt, weil man die damit kurz- und mittelfristig verbundenen Kosten scheute, die sich naturgemäß erst langfristig wieder bezahlt machen. Statt hier wie immer wieder von Gewerkschaften und Betriebsräten gefordert in die Zukunft zu investieren, redete man sich Warnzeichen wie den gescheiterten Ausbildungspakt schön - und tut es vielerorts weiter: Noch im März verkündete DIHK-Präsident Ludwig Braun (links), das von Kritikern als Umgehen einer Ausbildungsumlage umstrittene Abkommen sei 2006 ein "großer Erfolg" gewesen und habe mit der Verlängerung bis 2010 nun das "Potenzial zum Durchstarten" (<link http: www.dihk.de inhalt themen ausundweiterbildung kompakt kompakt18.pdf _blank>DIHK "Kompakt", März 2007).