Siemens Dialog
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30.04.2024, 23:04 Uhr

Pfad durchs Dickicht des Arbeitsrechts

  • 14.04.2010
  • Konzern

Dreieinhalb Jahre hat der frühere Siemens Mobile-Betriebsrat Michael Gerber gegen die scheinbar übermächtige Siemens AG gekämpft, um deren Verantwortung für die Folgen des BenQ-Desasters einzufordern. Nun ist er am Ende des mühseligen Weges angelangt und setzt seine Altersteilzeit bei Siemens fort - und zwar ohne die Fesseln, die Siemens ihm bis zuletzt anlegen wollte.

Beschäftigungsanspruch durchgesetzt

Nach der erfolgreichen Klage gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses von Siemens auf BenQ vor dem Bundesarbeitsgericht im Juli 2009 hat Gerber nun auch seinen Beschäftigungsanspruch uneingeschränkt durchgesetzt. Siemens hatte ihm nach den juristischen Erfolgen gegen den Betriebsübergang schon im Jahr 2007 vorsorglich außerordentlich gekündigt um, wie es damals im Siemens Dialog stand, "ganz sicher zu sein, ihn nicht am Ende des Rechtswegs beschäftigen zu müssen" (siehe Außerordentliche Kündigung für Betriebsrat).

Diese Absicht der Firmenseite ist trotz aller Anstrengungen gründlich misslungen. Die mündliche Verhandlung gegen die außerordentliche Kündigung im November 2009 vor dem Arbeitsgericht Wesel machte auch den Siemens-Anwälten deutlich, dass die Kündigung keinen Bestand haben würde. Auf Antrag der Anwälte wurde die Urteilsverkündung auf Ende Januar 2010 festgelegt, um Zeit für einen Vergleich zu schaffen.

"Vergifteter" Vergleichsvorschlag

Ein entsprechender Vorschlag von Siemens bot Gerber dann an, seine Altersteilzeit im Unternehmen fortzusetzen. Dies entsprach zwar seinem Ziel in der Auseinandersetzung, das Angebot allerdings bezeichnet er als "vergiftet": Siemens verlangte im Zuge des vorgeschlagenen Vergleichs eine Verschwiegenheitserklärung, die ihm verbot, sich zum Betriebsübergang Siemens-BenQ und dem Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht öffentlich zu äußern. Auch die Weiterbeschäftigung bei Siemens sollte vor der Öffentlichkeit verschwiegen werden, so Gerber: "Damit sollte eine unbequeme kritische Stimme gegen Siemens zum Schweigen gebracht werden."

Poker bis zur letzten Minute

Er lehnte diesen Versuch, ihm den Mund zu verbieten, entschieden zurück: "Ich lasse mir auch nach langer Zeit der Arbeitslosigkeit und unter finanziellem Druck nicht meine Würde nehmen." Siemens beharrte seinerseits auf der Verschwiegenheitserklärung, so dass Gerbers Anwalt schließlich das Arbeitsgericht aufforderte, die Entscheidung im Kündigungsschutzprozess zu verkünden. Erst danach willigte Siemens ein, auf den Knebel zu verzichten - offensichtlich ging man einer praktisch unvermeidlichen weiteren Schlappe dann doch lieber aus dem Weg. Das Arbeitsgericht Wesel setzte den abgeänderten Vergleichsvorschlag zum 1. April 2010 in Kraft.

Erfolg auf der ganzen Linie

Nun also ist für den ehemaligen Bocholter Betriebsratsvorsitzenden die kräftezehrende Auseinandersetzung mit einem Erfolg auf der ganzen Linie beendet. Er hat nicht nur persönlich im wahrsten Sinne des Wortes Recht bekommen, sondern auch erreicht, was von Anfang an sein wichtigstes Ziel war: "Im Dickicht des Arbeitsrechtes einen Pfad zu schlagen, um für künftige betriebliche Auseinandersetzungen bei Betriebsübergängen günstigere Ausgangsbedingungen für Beschäftigte zu schaffen."